Optiker-Meister Jörn Dackow hat auf dem Hof Hörnerkamp in Henstedt-Ulzburg eine der schönsten Manufakturen Deutschlands eingerichtet.

Henstedt-Ulzburg. Die Werkstatt ist winzig. Zehn Quadratmeter? Viel mehr auf keinen Fall. Im hinteren Teil stehen die Werkzeuge, der vordere Teil ist Showroom. Der Meister sitzt also gewöhnlich im hinteren Teil des Raumes, direkt vor dem Fenster und ist malerisch anzusehen: Mütze, kariertes Hemd, Brille, Bart. Alles ist in ein warmes, etwas diffuses Licht getaucht. Hier entstehen Brillen, die die Welt noch nicht gesehen hat. Augenoptiker-Meister Jörn Dackow hat in einem kleinen Zimmer, das direkt von der Diele des Hofes Hörnerkamp im Ortsteil Henstedt abgeht, eine der schönsten Manufakturen Deutschlands eingerichtet. Das kann er selbst mit Fug und Recht behaupten, weil er es schwarz auf weiß hat: Der Henstedt-Ulzburger und seine Handwerkskunst wurden in das Buch "Handgemacht - Die schönsten Manufakturen Deutschlands" aufgenommen. Im Auswärtigen Amt in Berlin wurde das Buch kürzlich vorgestellt.

Wer den kleinen Raum auf dem Hof Hörnerkamp betritt, steht mitten in einer historisch anmutenden Werkstatt. Die Brillen, die hier angefertigt werden, sind aber alles andere als muffig und alt. Denn Jörn Dackow ist ein moderner Augenoptiker-Meister, der sich aber auf den Wert einer alten Handwerkstradition stützt und beruft. Er hat den Beruf des Augenoptikers gelernt, die Meisterprüfung abgelegt und anschließend als Filialleiter in Optikerbetrieben gearbeitet. Alles ganz normal also.

Nicht normal fand Jörn Dackow hingegen, dass das Handwerk in der Branche auf der Strecke geblieben ist. Den Lehrberuf des Brillenmachers gibt es in Deutschland heute nicht mehr, die meisten Brillengestelle werden in Asien hergestellt - mit dieser Entwicklung konnte sich der Augenoptiker-Meister nicht anfreunden.

"Klar hätte ich meinen eigenen Laden eröffnen können", sagt Dackow. "Aber ich habe mich bewusst dagegen entschieden." Er ging einen anderen Weg. Vor vier Jahren zog er sich in den Keller zurück, um ein altes Handwerk neu zu beleben. Vor drei Jahren gründete er die Deutsche Brillenmachergilde, in der inzwischen eine Handvoll Brillenmacher zusammengerückt sind. Die Gilde ist das "Netzwerk" dieser Handwerker. Vor zwei Jahren hat der Henstedt-Ulzburger seinen krisensicheren Job gekündigt und ein Brillenmachergewerbe angemeldet. Die ersten Fassungen entstanden noch im heimischen Keller, aber vor einem Jahr bekam sein Gewerbe eine gewisse Dynamik mit dem Umzug in die kleine Kammer des 270 Jahre alten Hofes Hörnerkamp.

Hier fügt sich alles bestens zusammen: Jörn Dackow übt sein traditionsreiches Gewerbe in historischen Gemäuern aus. Um sich geistig auf seine Berufung einzustellen, unternahm der Meister im vergangenen Jahr noch eine kleine Pilgerreise nach Venedig, wo 1305 die ersten Brillen erfunden und hergestellt wurden. Wie die Brillenmacher im Mittelalter wanderte er die etwa 200 Kilometer von Nürnberg nach Augsburg, er besah sich die älteste Brille Deutschlands im Kloster Wienhausen bei Celle (aus dem 15. Jahrhundert), besuchte das Studierstübchen der Wartburg, wo eine alte Brille hinter der Vertäfelung gefunden wurde, und besah sich in Treviso im nördlichen Italien die ältesten Abbildungen von Menschen mit Brillen. "Das war meine mentale Einstimmung", sagt Jörn Dackow.

So gerüstet begann er in seiner kleinen Werkstatt mit der Herstellung von besonderen Brillen. Jede Brille ist ein Unikat, möglichst nach den Ideen der Kunden angefertigt. Meister Dackow kann vieles: Brillen aus Büffelhorn (direkt aus Indien), aus Edelholz, Edelstahl, Mammutelfenbein, Baumwollacetat (für die Farben), Silber, Gold, Perlmutt. Er fertigt Einfassungen und Bügel, die sonst nirgends zu sehen sind. Es ergeben sich einzigartige Materialkombinationen. Ein Bogenschütze hat sich einen Bügel in Form eines Bogens machen lassen, es gibt Biker-Brillen, Mercedes-Brillen mit Stern, Gitarrenbrillen, Klarinettenbrillen - und natürlich ganz normale, aber sehr gediegene Brillen von besonderem Geschmack.

Durch ein besonderes Wechselsystem lässt sich die Brille auf Wunsch auch schnell verändern: Familienwappen, Sternzeichen, Schutzengel - alles ist möglich. Es gibt in der Werkstatt viele Musterbrillen, an denen sich die künftigen Träger orientieren können. Müssen sie aber nicht. Wer ausgefallene Wünsche hat, kann sie mit Dackow besprechen. Immer bekommen die Kunden Brillen, die sonst niemand trägt.

Auf die sonstigen Angebote eines Optikergeschäfts muss auch niemand verzichten: Augenprüfungen nimmt der Optikermeister natürlich auch vor, auf Hightech aber verzichtet er. Die Augenstärke wird traditionell mit Messbrille und Gläserkasten getestet - nicht in der Werkstatt, sondern in der großen alten Bauernküche gleich nebenan. Gläser von drei verschiedenen Firmen aus Schleswig-Holstein hat Jörn Dackow im Angebot, das Einschleifen erledigt er natürlich selbst.

Etwa zehn Arbeitsstunden benötigt er für das Anfertigen einer Brille. Da er aber immer mehrere Brillen gleichzeitig in Arbeit hat, müssen die Kunden etwa vier bis sechs Wochen auf ihre Unikate warten. Für derart exklusive Modelle, die natürlich exakt angepasst werden, zahlen die Kunden durchaus moderate Preise. Es gibt schon Brillen für 200 Euro. Die durchschnittlichen Preise liegen zwischen 400 und 500 Euro - Industrieware ist manchmal sogar teurer. Gläser kosten extra. Innerhalb von sechs Wochen können die Brillen bei Nichtgefallen zurückgegeben werden. Das alles ist so solide, dass Hersteller Dackow eine Garantie von fünf Jahren geben kann.

Jörn Dackow hat sich mit seiner Brillenmanufaktur einen lang gehegten Traum erfüllt, der ihm auch noch genügend Freiraum für private Aktivitäten lässt. Mit seiner Frau wechselt er sich bei der Betreuung der beiden Kinder ab - vormittags er, nachmittags sie. So viel Zeit muss sein.

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