Das Schmallenberg-Virus führt zu großen Verlusten in Travenhorster Schafzucht. Das Virus befällt nach aktuellem Stand Schafe, Rinder und Ziegen.

Travenhorst/Alveslohe. Munter hüpfen die Lämmer im Stall von Amke Wardin und Carsten Mann umher. Neugierig wird jeder Winkel erkundet, der Nachwuchs der Ostfriesischen Milchschafe futtert fleißig Heu und blökt unentwegt. Auch die beiden Betreiber des Hofes in Travenhorst, zu dem eine Käsemanufaktur gehört, sind über den Anblick von gesunden und aufgeweckten Tieren glücklich. Denn noch bis vor Kurzem waren die Geburten zu oft traurige Begebenheiten.

"Als der erste Fall von Missbildung kam, haben wir uns noch nichts dabei gedacht. Aber beim zweiten haben wir geguckt: Was kann das sein?", erinnert sich Wardin. Und Mann ergänzt: "Als wir im Internet recherchiert haben, war es dann relativ schnell klar." Die ersten News-Einträge bei Google enthielten Berichte aus anderen Bundesländern, die exakt die gleichen Symptome beschrieben, die auch bei den Lämmern auf dem Hof am Rande der holsteinischen Schweiz auftraten. Das Schmallenberg-Virus, benannt nach einem Ort im Sauerland, wo der erste Fall beobachtet wurde, hatte sich bis in den Kreis Segeberg ausgebreitet.

Das Virus befällt nach aktuellem Stand Schafe, aber auch Rinder und Ziegen

Der Travenhorster Betrieb war der erste betroffene im Kreis Segeberg und der zweite gemeldete in Schleswig-Holstein. Das Virus befällt nach aktuellem Stand Schafe, Rinder und Ziegen und führt über die Plazenta zu schweren Schädigungen bei Föten, sofern deren Muttertiere im Risiko-Zeitraum durch Insekten wie Gnitzen oder Stechmücken infiziert worden sind. Die Lämmer und Kälber weisen Gelenksteifen, Sehnenverkürzungen, stark erweiterte Flüssigkeitsräume im Gehirn ("Wasserkopf") und beziehungsweise oder starke Deformationen des zentralen Nervensystems auf.

"Die Geburten waren sehr deprimierend", sagt Amke Wardin. "Insbesondere, wenn wir die Lämmer töten mussten. Und für die Mutterschafe war es schmerzhaft und langwierig." Normalerweise hätten die 75 Muttertiere 120 Lämmer zur Welt gebracht - doch infolge des Virus verlor die Schafhaltung ein Drittel der Jungtiere.

Bundesweit sind zurzeit 771 Betriebe betroffen - Tendenz steigend

So wie ihnen erging es bundesweit bereits 771 weiteren landwirtschaftlichen Betrieben und zahlreichen in anderen europäischen Staaten - Tendenz steigend. In Deutschland sind (Stand: 28. Februar) 682 Schaf-, 53 Rinder- und 37 Ziegenhaltungen betroffen. Doch die zentrale Frage bleibt weiterhin unbeantwortet: Wie kam das Virus nach Deutschland, die Benelux-Länder und Großbritannien? Verwandte Erkrankungen treten schon seit Mitte des 20. Jahrhunderts endemisch beispielsweise in Japan, im Mittleren Osten, in Australien und im afrikanischen Raum auf. Doch ob das Virus in Europa ebenfalls schon zirkulierte oder neu eingetragen wurde, ist für die Veterinärmediziner noch unklar.

Analog zum Krankheitsverlauf bei verwandten Erregern wird davon ausgegangen, dass sich die betroffenen Muttertiere ungefähr im vergangenen September und Oktober infiziert haben, was dem zweiten (Schafe) beziehungsweise bei Rindern dritten/vierten Monat der Trächtigkeit entspricht. Da Rinder mit insgesamt rund neun Monaten jedoch länger tragen als Schafe (rund 150 Tage) und die Abkalbungszeit größtenteils erst im März beginnt und bis Mai andauert, ist ein baldiger Anstieg der Zahlen wahrscheinlich. "Wir gehen davon aus, dass wir bei Rindern noch mehr Fälle bekommen", sagt Kreisveterinär Kurt Warlies, der ab Ende März ein klareres Bild über die Verbreitung im Kreis Segeberg erwartet. Momentan gibt es sechs bestätigte Fälle bei Lämmern, aber noch keine bestätigte Erkrankung eines Kalbes. Die Dunkelziffer ist, wie auch am Beispiel des Hofes in Travenhorst sichtbar, allerdings höher, da die Halter nur den ersten Fall melden müssen.

Für die Menschen stellt das Virus keine Gefahr dar

Dies musste Henning Möller, Milchbauer aus Alveslohe, bislang nicht. "Meine Rinder kalben das gesamte Jahr über, aber ich hatte noch keine Missbildungen", sagt er. Doch der als kritisch erachtete Geburtenzyklus steht noch bevor. Möller, der 300 Tiere vom wenige Tage alten bis zum ausgewachsenen Rind besitzt, fragt sich: "Wie weit ist die jeweilige Kuh betroffen? Ist das nächste Kalb dann auch missgebildet?" Gesunde Kälber brauche er für die Nachzucht.

Die Erfahrungen mit ähnlichen Virus-Typen zeigen zumindest, dass trächtige Tiere zwar die Infizierung an die Föten weitergeben, anschließend aber Antikörper bilden. Dies erwartet auch Amke Wardin. "Normalerweise immunisiert sich die Herde, und im nächsten Jahr ist dann nichts mehr los." In Travenhorst hatten sie den letzten Fall vor drei Wochen, momentan stehen noch die Lammungen bei zehn trächtigen Mutterschafen aus. "Wir hoffen, dass wir dann durch sind", sagt Wardin.

Zweifelsohne lässt sich indes sagen, dass für Menschen keinerlei Gefahr besteht. Dies gilt sowohl für den Fall eines Mückenstichs als auch für den Konsum von Tierprodukten wie Schafkäse, Kuhmilch oder Lammfleisch, der weiterhin unbedenklich sein wird.