17 Altenpflegeschulen im Norden bekommen 290 Euro pro Monat und Teilnehmer - nur Norderstedt geht leer aus. Politiker setzen auf Reform.

Norderstedt. Sie feiern fröhlich, haben gerade ihre Urkunden bekommen: 20 überwiegend junge Leute haben die Prüfung zu examinierten Altenpflegekräften bestanden. Gelernt haben sie das, was sie für die Pflege brauchen, im Institut für berufliche Aus- und Fortbildung (IBAF) in Norderstedt. Das Bildungsinstitut der Diakonie bildet schwerpunktmäßig künftige Altenpflegekräfte aus. "Die Kenntnisse und Ergebnisse waren gut", sagte Erich Schüller, Vorsitzender des Prüfungsausschusses, der zusammen mit der örtlichen IBAF-Leiterin Gabriele Lengefeldt Zeugnisse und Urkunden überreichte.

Gute Arbeit des Ausbildungsinstituts ist ohne Landesmittel gefährdet

Doch die gute Arbeit der Einrichtung ist gefährdet. Das Land Schleswig-Holstein fördert die Ausbildung nicht. Der gesamte Kreis Segeberg ist ein weißer Fleck bei den Zuschüssen, die anderen 17 Altenpflegeschulen im Norden bekommen 290 Euro pro Teilnehmer und Monat. Diejenigen, die sich bisher am IBAF ausbilden ließen und lassen, müssen die Kurse entweder selbst bezahlen, oder sie kommen von der Agentur für Arbeit, die die Kosten übernimmt.

"Ich bin gerade wieder dabei, einen Brief an Sozialminister Heiner Garg zu schreiben und ihn aufzufordern, die Lücke zu schließen", sagt Hans Jeenicke vom Norderstedter Seniorenbeirat, der sich seit Langem dafür einsetzt, dass einer der bevölkerungsreichsten Landkreise genauso behandelt wird wie die anderen Kreise und kreisfreien Städte - bisher vergeblich. "Der Minister steht in der Verantwortung, schließlich verteilt er auch unser Steuergeld", sagt Hans Jeenicke.

+++ Fachkräftemangel: Pflege-Offensive in Norderstedt +++

Die Leiter der Alten- und Pflegeheime und die ambulanten Pflegedienste unterstützen die Seniorenpolitiker: "Bundesweit haben wir eine Million Pflegekräfte, für die nächsten Jahre fehlen 400 000. Für Schleswig-Holstein liegt der Bedarf jenseits von 1200, ausgebildet werden aber nur 400 pro Jahr", sagte Gunnar Löwe, Leiter des Altenpflegeheims Scheel und Landesvorsitzender im Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste. Auch als Heimleiter spüre er den Mangel an Fachkräften, es gebe kaum noch Bewerbungen.

"Wir waren mehrfach in Kiel und haben für das IBAF in Norderstedt die gleiche Förderung und Behandlung wie für die anderen Altenpflegeschulen in Schleswig-Holstein gefordert. Aber bisher gibt es keine Bereitschaft, am jetzigen Fördersystem etwas zu verändern", sagte Ute Algier, Vorsitzende des Sozialausschusses in Norderstedt. Der Seniorenbeirat hatte auch über den Landesseniorenrat versucht, den Minister dazu zu bewegen, das IBAF ins Fördernetz aufzunehmen.

"Wir haben mit den Ausbildungsträgern 2006 vereinbart, dass sie die vom Land geförderten Plätze in eigener Verantwortung auf die einzelnen Schulen verteilen und dabei regionale Anforderungen berücksichtigen", sagt der stellvertretende Sprecher des Sozialministeriums, Matthias Badenhop. Das IBAF könne somit die ihm zugewiesenen Plätze in eigener Regie auf die Altenpflegeschulen in Rendsburg, Neumünster, Lübeck, Bargteheide und Norderstedt verteilen.

Weitere Mittel seien im Landeshaushalt 2011/12 nicht vorgesehen, zusätzliche Plätze könnten daher kurzfristig nicht bereitgestellt werden. "Dass wir den Bedarf sehen und den Nachwuchs in der Altenpflege sichern wollen, zeigt sich auch daran, dass die Finanzierung der Altenpflegeausbildungsplätze als einzige freiwillige Leistung im Sozialetat - trotz Haushaltskonsolidierung - im Doppelhaushalt 2011/2012 erhöht wurde", sagt der Behördensprecher.

Problem erkannt heißt es auch bei der Norderstedter CDU-Landtagsabgeordneten Katja Rathje-Hoffmann: "Natürlich ist die Situation unbefriedigend. Und ich bin ständig mit dem Minister im Gespräch, um Abhilfe zu schaffen", sagt die Abgeordnete. Gerade im Kreis Segeberg sei es wichtig, ausreichend Altenpflegekräfte zu haben, hier werde der demografische Wandel noch stärker spürbar als in anderen Landesteilen, der Kreis entwickele sich zu einem der "ältesten" in Schleswig-Holstein.

Politikerinnen setzen auf die geplante Reform der Pflegeausbildung

"Es muss sich was ändern", fordert auch Katrin Fedrowitz - die Vorsitzende der Norderstedter SPD kandidiert bei den Landtagswahlen am 6. Mai für das Kieler Parlament. Sie setzt wie ihre CDU-Konkurrentin auf die geplante Reform der Pflegeausbildung. Künftig sollen Kranken- und Altenpflegekräfte eine gemeinsame Grundausbildung bekommen und sich dann in Ausbildungsmodulen spezialisieren. Die Neuorganisation könne, so die beiden Politikerinnen, genutzt werden, um Landesmittel nach Norderstedt zu holen.

Schon vorher wird sich Ralf Stegner die Sorgen und Forderungen der Norderstedter Ausbilder anhören: Der Landesvorsitzende und Fraktionschef der Nord-SPD wird am 15. April ins IBAF kommen.