Beim Symposium für Altersmedizin geht es darum, wie Hören, Sehen und Riechen erhalten werden können und das Leben einen Sinn behält.

Norderstedt. Wer schlecht hört, ist schnell ausgegrenzt. Kann nicht mehr angemessen an Gesprächen teilnehmen, schränkt aus Angst davor, ständig nachfragen zu müssen, eventuell die Kontakte ein, vereinsamt. Oder er hört Stimmen, die gar nicht existieren, erschreckt, wird misstrauisch, denkt, die anderen tuscheln über ihn, entwickelt Psychosen. "Die Sinne sind die Eingangspforte ins Gehirn, aktivieren die geistige Arbeit, und sie ermöglichen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben", sagt Dr. Claus Wächtler, Chefarzt der Klinik für Gerontopsychiatrie in der Asklepios Klinik Nord.

Die Klinik im Hamburger Norden, Anlaufstelle auch für viele Norderstedter, lädt zusammen mit der Stadt Norderstedt und dem örtlichen Seniorenbeirat wieder zum Symposium "Aktuelle Konzepte der Altersmedizin" ein. Die hochkarätig besetzte Fachtagung am Freitag, 10. Februar, im Norderstedter Rathaus wendet sich zum einen an Ärzte und Pflegekräfte, ist aber auch offen für interessierte Bürger. Die Teilnahme an den Vorträgen und Workshops wird als Fortbildung anerkannt. "Im Titel steht zwar Hamburger Symposium, aber seit mindestens fünf Jahren findet der Informationstag in Norderstedt statt und wird wohl auch künftig hier abgehalten werden", sagt Dr. Peter Flesch, Chefarzt der Abteilung Medizinische Geriatrie in der Asklepios Klinik Nord.

Die Veranstalter rechnen mit bis zu 250 Teilnehmern und Besuchern

Zum elften Mal laden die Veranstalter zum Fachtag ein. Und auch für die aktuelle Veranstaltung rechnen sie wieder mit starker Resonanz. "Im Vorjahr hatten wir 300 Teilnehmer und Besucher und sind damit an unsere Kapazitätsgrenze gestoßen", sagt Wächtler. 200 bis 250 wäre eine gute Zahl, die sicher wieder erreicht wird. "Das Symposium ist einmalig und von absoluter Wichtigkeit für Senioren und Pflegekräfte", sagte Hans Jeenicke, Sprecher des Arbeitskreises Soziales im Seniorenbeirat Norderstedt. Gerade Angehörige, die an Demenz erkrankte Familienmitglieder pflegen, bekämen wertvolle Tipps. Rund 60 Prozent der Demenzkranken werden zu Hause gepflegt. "Das ist eine enorme ehrenamtliche Leistung, ohne die die Pflege dieser Menschen nicht zu schaffen wäre", sagte Wächtler.

"Von den Sinnen" lautet das Thema des diesjährigen Gesundheitstages. "Es wird darum gehen, wie es sich anfühlt, wenn die Sinne bei einem alt gewordenen Menschen nicht mehr funktionieren. Nicht sehen, nicht hören, nicht schmecken, wenig fühlen, wenig Kontakt, kaum menschliche Begegnung - es grenzt an moderne Folter, was das Alter bieten kann", sagt Wächtler. Da wollen die Altersheilkundler von der Asklepios Klinik zusammen mit den Vertretern der einzelnen Fachrichtungen gegensteuern.

Von den Sinnen zu sein, meint aber auch die seelische und psychische Bedeutung des Begriffes. Leben wollen und Sinn im Leben sehen seien eng miteinander verknüpft. Fehlende Aufgaben, Einsamkeit, ungünstige Lebensumstände, unzureichende Wertschätzung in der Bevölkerung, aber auch chronische Schmerzen und unheilbare Krankheiten können, so Wächtler, zu einem Gefühl der Sinnlosigkeit führen. "Depressive Grundstimmung bis zu Selbstmordabsichten können die Folge sein", sagt Wächtler. Besonders ältere Männer neigten zu Suizid.

Im vorigen Jahr seien bundesweit rund 10 000 Menschen freiwillig aus dem Leben geschieden, davon waren rund 3600 älter als 65. Diese Altersgruppe stellt aber laut Statistik nur rund ein Fünftel bis ein Sechstel der Gesamtbevölkerung, sodass Ältere überdurchschnittlich häufig Selbstmord begehen. Und unter den Senioren wiederum seien es mehr Männer als Frauen, die keinen anderen Ausweg mehr sehen, als in den Tod zu gehen.

Immer mehr ältere Menschen nehmen immer mehr Medikamente

Hier sei auch die Gesellschaft gefordert. Sie müsse Wohnformen wie Seniorenwohngemeinschaften anbieten, die die Isolation im Alter vermeiden und Kontakte ermöglichen. "Wenn der Gesunde dem Mitbewohner, der ans Bett gefesselt ist, seine Tablette bringt, mit ihm spricht, ihn ins Leben der Gemeinschaft einbezieht, ist das eine enorme psychosoziale Hilfe", sagt Dr. Peter Flesch.

Sorge macht ihm und seinen Kollegen auch eine andere Entwicklung: "Immer mehr Ältere nehmen immer mehr Medikamente." Auch hier setzt das Symposium im Rathaus an: "Schmerzbehandlung im Alter mit den Mitteln der Physiotherapie", heißt der Fachvortrag, der Alternativen zu medikamentöser Behandlung zeigen will. Informiert wird über moderne Therapien gegen Augenerkrankungen und Wege zum besseren Sehen im Alter, über Schwindel, über Gehörlosigkeit sowie Ursachen und Behandlung von Schwerhörigkeit. Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote wird die Gäste um 13 Uhr offiziell begrüßen.

Die Besucher können auch selbst testen, wie gut sie noch bei Sinnen sind und an den Ständen im Rathaus Seh-, Hör- und Geschmackstest absolvieren. Und sie sind eingeladen zum Vortrag "Ist Altern eine Krankheit? Vom Schwinden der Sinne". Ab 18 Uhr wird Professor Reimer Gronemeyer vom Institut für Soziologie an der Justus-Liebig-Universität in Gießen rund eineinhalb Stunden allgemeinverständlich und unterhaltsam berichten, was es bedeutet, alt zu werden.