Hobby-Historiker suchen steinerne Zeugen, die an der Ulzburger Straße Ende des 18. Jahrhunderts das Gebiet der Herrschaft Pinneberg markierten.

Henstedt-Ulzburg. Langenhorn-Archivar Erwin Möller holt die Kreide aus der Tasche und zeichnet die Linien nach. Schon ist deutlich zu lesen, was da auf dem Grenzstein steht. Der Granitblock ist die Nummer 33 und damit der letzte, den Dänenkönig Christian VII. Ende des 18. Jahrhunderts aufstellen ließ, um das Gebiet der Herrschaft Pinneberg zu markieren.

"Geschichte muss möglichst komplett, anschaulich und greifbar sein", sagen Erwin Möller und Wolfgang Burmester, Betreiber des Schnelsen-Archivs. Fehlende Grenzsteine akzeptieren die beiden Spurensucher nicht. "Wir sind noch auf der Suche nach drei Haupt- und elf Nebengrenzsteinen entlang der Ulzburger Straße", sagt Möller. Der Betreiber des Langenhorn-Archivs, der immer wieder die nur wenige Meter entfernte Grenze nach Norderstedt überschreitet, um auch hier Vergangenheit lebendig werden zu lassen, hat sich einem ehrgeizigen Projekt verschrieben. Er will die fehlenden Markierungssteine finden oder zumindest die Standorte ermitteln.

Auf dem Familienfoto zufällig einen Markierungsstein entdeckt

Und dafür braucht er die Hilfe der Bürger: "Viele wissen gar nicht, was sie da für historische Schätze im Garten oder als Begrenzung der Einfahrt verbaut haben", sagt Möller. Es sei schon vorgekommen, dass beim Schnappschuss vom Familientreffen "mit Onkel Hans und Tante Gerda" ein Grenzstein ins Bild geraten sei. Nicht immer offenbarten die steinernen Zeitzeugen auf den ersten Blick ihre frühere Bedeutung. Zwar seien die Findlinge behauen und geglättet und tragen die Inschrift HP (Herrschaft Pinneberg), C7 (Christian VII.), 1782 (Aufstellungsjahr) und die Nummer des Steins, aber: "Oft sind die Zahlen und Buchstaben nur noch schlecht zu lesen", sagt Möller, der nun auf Mund-zu-Mund-Propaganda, gutes Erinnerungsvermögen und scharfes Beobachten setzt.

Auch er hat bisher nicht allein gesucht, sondern mit Wolfgang Burmester, der das Schnelsen-Archiv betreibt, dem Henstedt-Ulzburger Joachim Grabbe, der in Hamburg-Eimsbüttel historische Stadtführungen leitet, und einem ehemaligen Mitarbeiter des Hamburger Denkmalschutzsamtes. "Wir sind alle Rentner und alle verrückt", sagt Burmester und schmunzelt.

Natürlich hat das Quartett der Hobby-Historiker seine Sinne beisammen, schärft sie immer wieder bei der ehrenamtlichen Arbeit an der Vergangenheit. Wie jetzt beim Versuch, die Grenze der ehemaligen Herrschaft Pinneberg anhand der Grenzsteine zu dokumentieren. Mit 33 Granitbrocken markierte Dänenkönig Christian VII. sein Herrschaftsgebiet, das vom Eimsbütteler Markt bis nach Ulzburg-Süd, über Quickborn-Heide, Bilsen, Quickborn-Himmelmoor, Seeth-Eckholt bis nach Elmshorn und weiter an der Krückau entlang bis an die Pinnau reichte, ehe es westlich von Wedel auf die Elbe traf, die die südwestliche Grenze markierte.

"Die östliche Grenze, die die Herrschaft Pinneberg vom Gut Tangstedt trennte, verlief entlang der Ulzburger Straße, sprang mal etwas nach Westen, mal nach Osten", sagt Möller. Auf dem heutigen Norderstedter und Henstedt-Ulzburger Gebiet standen acht Hauptgrenzsteine mit den Nummern 26 bis 33, die durch zwölf Nebengrenzsteine mit den Bezeichnungen "a-m" ergänzt wurden. Die Steine mit den Nummern 26, 31, 32 und 33 sind aufgespürt, der Stein mit der Nummer 29 kam im vorigen Jahr an seinen Platz neben der Filiale der Sparkasse Holstein an der Ulzburger Straße 453 zurück. Er wurde Ende September feierlich eingeweiht, nachdem er lange "Stein des Anstoßes" war. 1984 begann der Streit um den steinernen Grenzposten. Die Stadt Norderstedt und der örtliche Heimatbund auf der einen und Tankstellenbesitzer Hans-Jürgen Fahrenkrog auf der anderen Seite behaupteten gleichermaßen, der Stein gehöre ihnen.

Fahrenkrog soll seinen Besitzanspruch damit gerechtfertigt haben, dass er den Stein in einer Sandkuhle ausgegraben und auf seinem ehemaligen Grundstück aufgestellt habe. Die Stadt und der damalige Vorsitzende des Heimatbundes, Heinrich Dumbries, sahen das anders: "Der Stein gehört der Allgemeinheit, wir werden um ihn kämpfen", gab Dumbries die Parole aus. Der Grenzstein sei ein Kulturdenkmal, dessen Erhalt im öffentlichen Interesse liege. Nach langen Verhandlungen gelang es schließlich, den 750 Kilo schweren und 1,29 Meter hohen Stein wieder an seinen Originalstandort zu bringen. Seitdem steht er wieder neben der Filiale der Sparkasse Holstein an der Ulzburger Straße 453, allerdings historisch etwas unkorrekt. Die Inschrift müsste nach Westen zeigen, zur ehemaligen Herrschaft Pinneberg. Wegen der besseren Lesbarkeit wurde er gedreht.

Zwar sind Möller und seine Mitstreiter Dauergäste im Landesarchiv von Schleswig-Holstein in Schleswig und haben den Grenzverlauf beim ständigen Studium historischer Karten verinnerlicht. "Aber damals hat man die Standorte der Markierungssteine nicht auf den letzten Meter genau eingetragen. Der Maßstab kam erst gegen 1870 zum Einsatz", sagt Möller.

Glasscherben und Holzkohle belegen, wo die Steine gestanden haben

Gelegentlich hätten die Landwirte die Steine auch mal etwas versetzt und behauptet, der mehrere Hundert Kilo schwere Grenzposten habe schon immer dort gestanden. "Doch da gibt es untrügliche Indizien, die die Behauptung als falsch ausweisen. Gewissermaßen als Standort-Zeugen sind beim Setzen der Grenzsteine Glasscherben und Holzkohle mit in die Erde gekommen, sodass sich der Ursprungsplatz jederzeit eindeutig nachweisen lässt", sagt Burmester.

Falls die Steine nicht mehr vorhanden, die Standorte aber bekannt sind, wollen die Spurensucher neue Grenzmarkierungen aufstellen. "Das ist zwar nicht so einfach, weil Granitsteine enorm beliebt und gefragt sind. Aber durch gute Kontakte werden wir schon an die Steine rankommen", sagt Möller.