Norderstedter Selim Reid gründet spezielles Projekt für Muslime. Frauen und Männer werden getrennt befördert. Christen dürfen mitfahren.

Norderstedt. "Ich habe überhaupt nicht damit gerechnet, dass das Projekt so viel Staub aufwirbelt und so intensiv diskutiert wird", sagt Selim Reid. Der 24 Jahre alte Norderstedter hat "Muslim-Taxi" gegründet, wobei der Name in die Irre führt: Es handelt sich nicht um ein Taxi-Unternehmen, sondern um die erste islamische Mitfahrgelegenheit bundes- und sogar europaweit.

"Viele muslimische Schwestern und Brüder haben sich beschwert, dass sie herkömmliche Angebote nicht nutzen können, weil dort die nach dem Islam vorgeschriebene Geschlechtertrennung nicht umgesetzt wird", sagt Selim Reid, den auch persönliche Erfahrungen zu seinem Projekt motiviert haben: Seine Eltern, die aus dem Irak stammen und 1996 nach Deutschland gekommen sind, hätten schlechte Erfahrungen gemacht, als sie eine Mitfahrgelegenheit von Hamburg nach Berlin genutzt hatten.

"Der Fahrer und seine Begleitung lästerten die ganze Fahrt über Ausländer im allgemeinen und das Kopftuch meiner Mutter im speziellen. Sie dachten wohl, dass meine Eltern kein Deutsch verstehen. Da hatten sie sich aber getäuscht", sagt Reid. Nachdem sich immer mehr Betroffene bei ihm gemeldet hätten, hat er Ende 2011 "Muslim-Taxi" gegründet. Der Gründer will damit erreichen, dass auch Muslime die günstige und flexible Transportmöglichkeit nutzen können.

Mit seinem neuen Angebot hat Reid ein enormes Medienecho hervorgerufen. Radiosender wollen ein Interview, Zeitungsreporter rufen an. Wer mit dem Gründer persönlich sprechen will, muss warten, bis der Terminkalender einen freien Platz zeigt. "Muslim-Taxi" ist offenbar ein Reizwort, vermittelt den Eindruck, hier wolle jemand die Entwicklung zurückdrehen. Die Trennung von Mann und Frau sei nicht mehr zeitgemäß, werfen ihm Kritiker vor. Er schaffe eine Parallelgesellschaft, sein Projekt konterkariere die Integration und verstärke den Riss zwischen Deutschen und Migranten.

"Das sehe ich überhaupt nicht so. Die Geschlechtertrennung ist Teil unseres Glaubens, und der Islam ist Teil von Deutschland. Außerdem ist ja niemand gezwungen, das Angebot wahrzunehmen", sagt Selim Reid, der sein Projekt als ganz normales Angebot sieht, gern im Hintergrund bleiben und sich nicht fotografieren lassen will. Er habe sich mit seinem Projekt lediglich spezialisiert und bediene eine Nische. "HSV-Fans fahren ja auch nicht mit Fans vom FC Bayern", sagt der Norderstedter. Er wolle nicht den Aufbau einer Parallelgesellschaft vorantreiben, sondern schlicht besondere Interessen bedienen.

Zudem stehe seine Mitfahrzentrale auch Menschen anderen Glaubens offen. Wenn Muslime und Christen einige Stunden auf engem Raum im gleichen Auto sitzen, könne das den religiösen Austausch und das gegenseitige Verständnis fördern. "Wer wirklich den Dialog sucht, findet ihn bei Muslim-Taxi"', sagt der Gründer, der in Hamburg Fahrzeugbau und Flugzeugtechnik studiert und sein Projekt nebenbei betreibt, ohne spezielles Büro einfach von Zuhause aus. "Ich habe die Seite ins Internet gestellt", sagt der Student.

Das Prinzip funktioniert wie bei herkömmlichen Anbietern. Interessierte rufen die Homepage von "Muslim-Taxi" ( www.muslimtaxi.de ) auf, tragen ihre Wunschdaten ein und warten auf ein passendes Angebot. Im Unterschied zur Konkurrenz kann jeder sofort sehen, ob es sich um einen Fahrer oder eine Fahrerin handelt.

Und der Anbieter sieht noch einen Nebenaspekt: Er möchte Ehen und Partnerschaften schützen. Er habe schon mehrfach gehört, dass Verheiratete während der gemeinsamen Fahrt jemand für einen Seitensprung kennengelernt hätten. Die Partnerschaft sei zerbrochen, Familien seien kaputt gegangen. Wenn die Mitfahrer das gleiche Geschlecht haben, werde das Risiko, fremd zu gehen, weitgehend ausgeschlossen. Das Angebot von "Muslim-Taxi" ist kostenlos. Ohnehin verfolgt Selim Reid nicht vorrangig das Ziel, mit seinem Projekt schnell und viel Geld zu verdienen. Er möchte seinen Glaubensbrüdern und -schwestern helfen und eine Lücke schließen. Der Norderstedter finanziert seine Internet-Plattform über Werbung.

So unaufgeregt, wie der Gründer sein Projekt sieht, verlief auch der Start. "Ich habe das Angebot Ende des Jahres über facebook bekannt gemacht und war total überrascht, als sich nach drei Tagen schon fast 3000 Leute gemeldet hatten", sagt Reid.

Zwar gibt es, wie das Gästebuch verrät, vereinzelt Kritik, wird vom Rückfall ins Mittelalter oder "latenter Integrationsverweigerung" gesprochen, aber die Resonanz fällt überwiegend positiv aus, vor allem Frauen begrüßen das Projekt. Und es scheint anzukommen: Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe standen gestern Abend 20 Angebote und Gesuche auf der Seite.