Innenminister Schlie und Justizminister Schmalfuß loben Norderstedts Netzwerk gegen Jugendkriminalität. Rückgang von Delikten.

Norderstedt. Wenn in Norderstedt ein 15-Jähriger mit einer Schreckschusswaffe auf dem Schulhof hantiert, um anderen Schülern einen Schrecken einzujagen oder sie zu bedrohen, um zweifelhaften Respekt zu erlangen, dann kann er sich darauf einstellen, dass er für diese strafrechtlich relevante Verfehlung schon ein paar Wochen später bis zu 25 Arbeitsstunden in einem Altenheim oder ähnlichen Einrichtungen ableisten muss. Strafe folgt in Norderstedt auf dem Fuß.

Schleswig-Holsteins Innenminister Klaus Schlie (CDU), der sich die Bekämpfung der Jugendkriminalität im Land vorgenommen hat, nannte das seit Jahren in Norderstedt gut funktionierende Behörden-Netzwerk für straffällige Jugendliche am Donnerstag ein "Leuchtturm-Projekt" für das ganze Land. Flankiert von Justizminister Emil Schmalfuß (FDP) informierte sich Schlie direkt bei den Norderstedter Polizeibeamten, beim Jugendamt und im Amtsgericht über deren, wie Schmalfuß betonte, "hervorragende und effiziente Zusammenarbeit, bei der die Rädchen perfekt ineinander greifen". Aus Norderstedt wolle man Praxis-Erfahrung mit nach Kiel nehmen, sagte Schlie. "Wir wünschen uns Netzwerke wie in Norderstedt in allen elf Kreisen und in den vier kreisfreien Städten."

+++ Vorbildlich gegen Jugendkriminalität +++

Die Interaktion zwischen Polizeibeamten, Staatsanwälten, Mitarbeitern der Jugendgerichtshilfe, der Jugendhilfe und der Schulen wird in Norderstedt seit acht Jahren intensiviert. Ziel ist es, reuige und geständige Ersttäter, die vergleichsweise minder schwere Delikte begangen haben, in sogenannten Diversionsverfahren zur Verantwortung zu ziehen. Im Fall des 15-Jährigen mit der Schreckschusswaffe war es der Schuldirektor, der sich an den Schulbetreuer bei der Polizei wandte und das Verfahren anstieß.

Bei der Polizei übernimmt dann die Jugendbeauftragte Dagmar Meyer: "Wir führen die Gespräche mit dem Jugendamt, den Eltern und der Schule, ehe der Jugendliche zum Verhör gebeten wird. Ist er reuig, entscheidet der Staatsanwalt, ob es bei einem erzieherischen Gespräch und Arbeitsstunden bleiben kann." So kann sich der Jugendliche den Weg vor den Jugendrichter ersparen.

Sandra Brandt von der Ermittlungsgruppe Jugend bei der Polizei, kümmert sich um die 29 Jugendlichen in Norderstedt, die als Intensivtäter gelten, die also im Jahr mit mindestens zwei Gewalttaten oder drei Straftaten auffallen. "Im Falle eines weiteren Deliktes vergehen zwischen Anzeige und Verurteilung nur sechs bis acht Wochen. Wir arbeiten sehr eng und persönlich mit der Staatsanwaltschaft zusammen", sagt Brandt.

+++ Ali, der U-Bahn-Schläger aus der Neustadt +++

Die Ergebnisse der Zusammenarbeit seien in Norderstedt messbar. Die Polizei verzeichne einen spürbaren Rückgang von schweren Delikten durch Jugendliche. Im Bereich der Intensivtäter zwischen 14 und 21 Jahren soll der Rückgang im vergangenen Jahr sogar bei etwa 50 Prozent im Vergleich zu 2010 (420 Taten) gelegen haben. Justizminister Schmalfuß: "Aber auf Prozentzahlen für die Vergleichbarkeit der Erfolge kommt es gar nicht so sehr an. Allein der spürbare Rückgang der Fälle reicht aus um zu verstehen, dass wir mit diesen Konzepten auf dem richtigen Weg sind." Innenminister Klaus Schlie nennt ein Netzwerk, wie es in Norderstedt bereits Realität ist, "Task Force Jugendkriminalität", und er wünscht sie sich flächendeckend im Land. Ab diesem Jahr führt das Landeskriminalamt auch die von Schlie befürwortete Intensivtäterdatei. Jugendliche Straftäter bekommen Punkte, etwa bei Raub fünf oder bei gefährlicher Körperverletzung drei Punkte. Wer innerhalb eines Jahres auf 15 Punkte kommt, gilt als Intensivtäter, wobei zwischen notorischen Schwarzfahrern und Gewalttätern unterschiedlich gewichtet wird.

Der innen- und rechtspolitische Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Landtag, Thorsten Fürter, nannte die Datei am Donnerstag einen "Albtraum für den Datenschutz". Er kritisierte die Einführung der Datei ohne spezielle Rechtsgrundlage und warf Schlie mangelnde Sorgfalt im Umgang mit sensiblen Daten vor. Der Datenschutzbeauftragte des Landes, Thilo Weichert, zeigte sich am Donnerstag verwundert, dass er als Teil der Task Force bei der Einführung der Datei nicht wenigstens befragt wurde. "Die Kommunikation zwischen Schulen und der Polizei ist datenschutzrechtlich ein Problem. Da muss geklärt sein, wie sehr sie stattfindet", sagt Weichert. Die Lehrer und auch Sozialpädagogen unterlägen der Verschwiegenheitspflicht. "Wir haben das Landeskriminalamt aufgefordert, uns genauer zu informieren, was mit der Datei beabsichtigt wird", sagt der Datenschutzbeauftragte.

Innenminister Schlie reagiert auf die Kritik ungehalten: "Herr Fürter hat da wohl was durcheinander geworfen. Es geht hier nicht um das Anschwärzen von Jugendlichen, sondern um sinnvolle Prävention."