Fluglärmgegner sprechen von faulem Kompromiss. Die Städte Norderstedt und Quickborn wünschen sich weiteres freiwilliges Schallschutzprogramm.

Norderstedt. "Das ist ein Rückschlag für die Norderstedter, die auf mehr Schutz vor Fluglärm gehofft hatten." So kommentiert Hans Schwarz, Vorsitzender der Norderstedter Interessengemeinschaft für Fluglärmschutz (NIG), die geplanten neuen Lärmschutzbereiche - die Länder Schleswig-Holstein und Hamburg haben zusammen mit dem Flughafen in Fuhlsbüttel einen Entwurf erarbeitet, in dem die Lärmschutzbereiche neu festgelegt werden. Die Menschen, die innerhalb der Schutzzonen wohnen, haben einen Anspruch auf lärmmindernde Maßnahmen. Dazu zählten bisher im Wesentlichen der Einbau von Schallschutzfenstern und Lüftern.

Anlass für die Überarbeitung der schützenswerten Bereiche war die Novelle des Bundesgesetzes zum Fluglärmschutz, das den Anwohnern von Flugplätzen mehr Ruhe verschaffen soll. Die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt hat berechnet, wo sich der Fluglärm wie stark ausbreitet und die Grenzwerte absenkt. Die schleswig-holsteinischen Kollegen vom Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, der Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr in Schleswig-Holstein und die Fluglärmschutzkommission haben die Daten geprüft.

Künftig reicht schon ein Dauerschallpegel von 65 Dezibel (dB), um in die neue Tagschutzzone 1 zu kommen und von entsprechendem Schallschutz profitieren zu können. Bisher lag der Wert um zehn dB höher. Um sieben dB wurde die Lärmgrenze für die Tagschutzzone 2 auf jetzt 60 dB reduziert. Erstmals ist eine Nachtschutzzone vorgesehen. Die Belastungsgrenze liegt bei einem Dauerschalpegel von 55 dB oder bei sechs Überflügen, die jeweils lauter ausfallen als 57 dB. "Damit werden erstmals auch Lärmereignisse in der Nacht berücksichtigt, die die medizinisch belegte Ursache für Aufwachreaktionen sind, allerdings auf hohem Niveau", heißt es in der Stellungnahme der Stadt Norderstedt.

Für die Norderstedter, die unter Fluglärm leiden, wird sich wenig ändern. Die Tagschutzzone 1, die einen erhöhten Schutzbedarf bedeutet, bleibt in ihrer Breite fast auf altem Niveau, verlängert sich allerdings nach Norden bis an die Straße "Spann". Die neue Tagschutzzone 2 fällt schmaler aus, sie verschiebt sich vom Schwarzen Weg Richtung Niendorfer Straße/Friedrichsgaber Weg. "Grund ist zum einen der große Anteil an vergleichsweise leisen Flugzeugen gegenüber der alten Berechnung von 1971", heißt es in der Stellungnahme der Stadt. Das führe dazu, dass die Lärmbelastung gesunken sei - trotz zunehmender Starts und Landungen. Zum anderen würden die "realen Abläufe" durch das neue Berechnungsverfahren feiner dargestellt.

Allerdings werde sich der Schallschutz qualitativ verbessern, heißt es weiter in der Stellungnahme der Verwaltung, die den Entwurf zur Kenntnis nimmt und ermittelt hat, dass Planungsvorhaben durch die neuen Lärmschutzbereiche nicht betroffen seien. Neben dem Einbau von Schallschutzfenstern und Lüftern werde der Flughafen künftig auch weitere lärmmindernde Maßnahmen wie das Dämmen von Wänden, Dächern und Rollläden sowie spezielle Türen bezahlen, wenn die Lärmbelastung entsprechend hoch ist.

Vorgaben der Lärmwirkungsforschung seien nur zum Teil berücksichtigt

Erst unterhalb von 40 dB seien nachts keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu erwarten. Allerdings liegen die neuen Grenzwerte weiter auf einem relativ hohen Niveau, das nur zum Teil den Vorgaben aus der Lärmwirkungs-Forschung entspreche, schreibt die Verwaltung. Laut den Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation "Night Noise Guidelines for Europe" von 2009 seien erst unterhalb von 40 dB nachts keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu erwarten. Gerade für die Garstedter komme hinzu, dass sie neben dem Fluglärm erheblich durch Verkehrslärm belastet seien.

Daher wäre es wünschenswert, wenn der Flughafen passiven Schallschutz über das gesetzliche festgesetzte Maß hinaus fördern würde. Hier knüpfen auch die Kritiker der Initiativen gegen Fluglärm an: "Zwar reichen die neuen Lärmschutzzonen weiter nach Norden, berühren aber nur die unbewohnte Feldmark. Dadurch, dass die Grenzen enger gefasst sind, haben weniger statt mehr Norderstedter Anspruch auf Lärmschutz", sagt NIG-Chef Hans Schwarz, der überhaupt nicht einverstanden ist mit den geplanten Schutzzonen. Der Lärm reiche östlich weit über die Kirchenstraße hinaus und nördlich bis Meschensee. Er wohne an der Niendorfer Straße direkt an der Lärmschutzzone 1, habe aber noch keinen Cent für Schallschutz erhalten. Von den 37 Millionen, die der Flughafen in freiwillige Lärmschutzprogramme investiert habe, seien höchstens drei Prozent nach Norderstedt geflossen.

Die Grenzwerte hätten um mindestens fünf dB niedriger ausfallen müssen

Auch in Quickborn stoßen die Pläne auf Kritik: "Was da nach zehn Jahren Verhandlungen heraus gekommen ist, ist ein mageres Ergebnis", sagt Eberhard von Lany, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Flugschneise (IG) Nord. Die Grenzwerte seien zu hoch angesetzt. Wären sie um fünf dB niedriger ausgefallen, hätten sie gerade noch dem Niveau entsprochen, was Lärmmediziner für zumutbar halten. Von Lany bezeichnet den Entwurf als faulen Kompromiss im Sinne der Luftverkehrslobby. "Für Flughäfen, die neu gebaut oder umgebaut werden, liegen die Grenzwerte deutlich niedriger, sodass mehr Anlieger Schallschutzmaßnahmen beanspruchen können", sagt von Lany.

Auch Quickborns Bürgermeister Thomas Köppl hatte die geplanten Schutzzonen als "viel zu klein" bezeichnet. Dennoch stimmten die Politiker dem Entwurf zu, sprachen sich aber ebenfalls für ein weiteres freiwilliges Lärmschutzprogramm aus.