Die Fluglärmgegner genießen die Ruhe und wünschen sich, dass das “Asche-Chaos“ noch wochenlang den Flughafen Hamburg lahm legt.

Norderstedt. Hans Schwarz (75) und Uwe Kühl (61) sind Menschen, die Flugzeugtypen am Geräusch erkennen. So sicher, wie eine Fleischereifachverkäuferin 100 Gramm Aufschnitt mit einem Griff aus der Kühltheke nimmt, so sicher kann Hans Schwarz den Schallpegel eines Airbus in der Einflugschneise über Garstedt auf ein halbes Dezibel genau bestimmen. Uwe Kühl lebt sein ganzes Leben in Garstedt und bezeichnet noch heute jedes einzelne von den täglich etwa 300 Flugzeugen über seinem Haus als ein "unerträgliches Lärmereignis", von Gewöhnung keine Spur.

Die beiden Garstedter zählen zu den bekanntesten Streitern wider den Fluglärm in Norderstedt. "Ich habe 1967 angefangen, mich über den Fluglärm zu beschweren", sagt Schwarz. Seit 30 Jahren führt er die NIG, die Norderstedter Interessengemeinschaft für Fluglärmschutz. Und Uwe Kühl ist seit jeher Mitglied.

Jetzt spielt Schwarz mit dem Gedanken, den Vorsitz bei der NIG aufzugeben. Denn man soll ja bekanntlich aufhören, wenn es am schönsten ist. Und das war es am Wochenende.

Um 6 Uhr sei er aufgewacht. Nicht, wie sonst, wegen des Fluglärms, sondern wegen der Ruhe. "Ich habe sogar Vogelgezwitscher auf meiner Terrasse gehört", sagt Schwarz und freut sich wie ein Kind. Beim Spazierengehen in der Feldmark habe er Nachbarn und Reiter getroffen, begeistert von der Ruhe.

Uwe Kühl spricht von einem "Geschenk des Vulkans", das er seit Tagen genieße. "Ich habe endlich wieder mal ausgeschlafen. Das letzte Mal war das während der Renovierungsarbeiten auf der Landebahn vor einem Jahr", sagt Kühl. Der Vulkan Eyjafjalla auf Island macht Garstedt, laut Uwe Kühl die lauteste Region in Schleswig-Holstein, zu einem idyllischen Vorstädtchen. "Es ist ein anderes Lebensgefühl, ein Urlaubsgefühl", sagt Kühl. Sonst herrsche ein Dauerschallpegel von 60 Dezibel. Die Weltgesundheitsorganisation, sagt Kühl, warne vor Dauerpegeln über 55 Dezibel, weil das krank mache. Magengeschwüre, Bluthochdruck, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit. "Wir haben hier auch auffällig viele Fälle von Leukämie und Krebs in der Nachbarschaft", sagt Schwarz.

Beweisen könne er den Zusammenhang nicht, nur vermuten. Hans Schwarz und die Fluglärmgegner haben vieles versucht und manches erreicht. "Zum Beispiel, dass die Flugzeuge ordentlich abfliegen, also gerade über Garstedt hinaus und erst dahinter in Richtung Osten abbiegen", sagt Schwarz. Doch grundsätzlich fühlen sie sich verschaukelt, zu wenig unterstützt, kaum gehört und allein gelassen. Seit Jahrzehnten wurde ihnen erzählt, der Flughafen Hamburg kommt weg, der Großflughafen Kaltenkirchen entsteht. Stattdessen stiegen die Flugbewegungen von 60.000 auf bald 240.000 im Jahr, und der Hamburger Flughafen verteile "Pillepalle wie Schallschutzfensterchen" unter den Lärmgeplagten. "Der Preis für das bedingungslose Wachstum ist die Gesundheit der Garstedter Bürger", sagt Kühl in einer Mischung aus Resignation und Verbitterung.

In Hans Schwarz wächst nun die Idee für das Projekt Eyjafjalla in der Feldmark. Man müsste einen Geysir in einem See in der Feldmark entstehen lassen, der unablässig Asche in den Luftraum über Garstedt puste. "Dazu zünden wir noch ein paar Nebelkerzen oder so." Schwarz und Kühl lachen breit. Doch wer gesehen hat, wie sie sich über die vulkanbedingte Ruhe freuen, der spürt den Unterton der Ernsthaftigkeit in ihren Worten.