Der alkoholisierte Todesfahrer überrollte sein Opfer zweimal mit seiner 395 PS starken Limousine. Wegen fahrlässiger Tötung, Trunkenheitsfahrt und Unfallflucht wurde er zu drei Jahren Haft verurteilt.

Dieser Fall sorgte mehr als ein Jahr lang für Aufsehen. Die NZ-Mitarbeiter Wolfgang Klietz, Florian Büh und Michael Schick berichteten mehrfach.

Die Immer wieder schauen die Eltern auf das Foto ihres toten Sohnes. Das Bild zeigt einen gut aussehenden jungen Mann, der freundlich aus einem AKN-Triebwagen schaut. So wollen Vater und Mutter ihren Dzevad in Erinnerung behalten. Sprechen können sie kaum, sie weinen um ihren Sohn.

Der 29-Jährige starb unter mysteriösen Umständen am Sonnabend, 26. Januar, in Henstedt-Ulzburg, als zweimal der Jaguar S-Type von Christian L. (22) über ihn hinwegrollte. Dzevad J., der allein in seiner 30 Quadratmeter großen Ein-Zimmer-Wohnung in Henstedt-Ulzburg lebte, war mit seinem Fahrrad auf dem Weg zum Dienst bei der AKN in Kaltenkirchen, als ihn um 3.50 Uhr die 395-PS-Limousine erfasste.

Noch ist unklar, wie es zu dem zweifachen Zusammenprall kommen konnte. Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei hoffen, dass heute die Obduktion der Leiche in der Kieler Rechtsmedizin Hinweise auf den Hergang liefert. "Davon hängt unsere rechtliche Einordnung ab", so Oberstaatsanwalt Uwe Wick. Immer noch ist der Verdacht nicht ausgeräumt, dass Jaguar-Fahrer Christian L. den Eisenbahner mit Absicht überrollte. Diesen Eindruck hatten Zeugen, die den Vorfall beobachteten.

Zwar wurde gegen L. bislang kein Haftbefehl erlassen, doch er ist nur gegen Auflagen frei. Zweimal pro Tag muss er sich bei der Polizei melden. Er stand unter Alkoholeinfluss, angeblich wurde auch Ecstasy gefunden. Bestätigen wollte die Staatsanwaltschaft diese Angaben noch nicht.

Christian L. kommt aus einer wohlhabenden Familie, die seit Jahrzehnten in einem großen Haus im Ortsteil Ulzburg lebt. Vater Wolfgang war führender Mitarbeiter einer Bank. Er starb vor zwei Jahren - ein Verlust, den der Sohn nie verwunden hat.

Der 22-Jährige war regelmäßiger Gast in Diskotheken. Mehrfach sorgte er dort für Ärger, war an Rangeleien beteiligt und leistete dabei auch Widerstand gegen Polizisten. Nach seiner Festnahme am Sonnabend randalierte er in der Polizeizelle.

Als Christian L. den Lokführer überfuhr, kam er aus der wenige 100 Meter entfernten Diskothek Joy. Nach inoffiziellen Angaben der Ermittler könnte sich der Zusammenprall so abgespielt haben: Dzevad J. war auf dem Fahrrad Richtung Kaltenkirchen unterwegs und bemerkte, dass er etwas verloren hatte. Möglicherweise blies der starke Wind seine Fleece-Mütze vom Kopf. Er stellte sein Fahrrad ab, legte die Tasche daneben und begann, in der Dunkelheit auf der Fahrbahn zu suchen. Dabei wurde er von dem Jaguar erfasst.

Wie berichtet, hatten Zeugen bei der Polizei ausgesagt, nach dem ersten Zusammenprall habe Christian L. seinen Jaguar nach einer Vollbremsung und einer 180-Grad-Drehung ein zweites Mal über Dzevad J. gelenkt. Denkbar ist jedoch auch, dass Christian L. die Kontrolle über den schweren Wagen verlor, in Panik flüchten wollte und versehentlich den Lokführer noch mal überfuhr.

Die Ungewissheit darüber, was tatsächlich am Sonnabend auf der Hamburger Straße in Henstedt-Ulzburg geschah, quält die Familie. In einem Punkt sind sich Eltern und die Schwester jedoch sicher: "Dzevad war bestimmt nicht betrunken. Er musste doch zum Dienst."

Drei Jahre Haft für Christian L. (23) - dieses Urteil verkündete Amtsrichter Reinhard Leendertz Anfang März 2009 in Norderstedt. L. hatte zum Unfallzeitpunkt mindestens 1,11 Promille. Das Gericht folgte der Anklage, die auf fahrlässige Tötung, Trunkenheitsfahrt und Unfallflucht lautete, blieb aber unter dem von der Staatsanwaltschaft gefordertem Strafmaß von drei Jahren und neun Monaten.

Richter Leendertz rügte ausdrücklich das "menschenverachtende Verhalten des Angeklagten" nach der Tat. Der junge Mann hatte laut Zeugenaussagen das Opfer verhöhnt und keinerlei Reue gezeigt. Zu Polizeibeamten hatte er gesagt: "Das war doch ein fetter Kerl, der hätte das abkönnen müssen." Er zahle 600 Euro für die Versicherung im Jahr, dafür könne er jemanden überfahren.

Als der Todesfahrer im November 2008 betrunken randalierte und wegen seines aggressiven Verhaltens von der Polizei in die Psychiatrische Klinik nach Rickling gebracht wurde, folgten weitere Entgleisungen. "Wenn ihr hier Wild umfahrt, ist das nicht schlimm. Das ist doch genauso, als wenn ich mit meinem fast drei Tonnen schweren Jaguar einen Menschen überfahre. Der geht wie durch Butter." Ärgerlich sei nur, dass dabei das Auto beschädigt werde. Besser sei es, ein Kind zu überfahren, da gehe nichts kaputt. Das schilderte der Rettungssanitäter, der L. im Krankenwagen begleitete.

Der Angeklagte aus wohlhabendem Haus war dem zweitägigen Verfahren teilnahmslos gefolgt. Erst im Schlusswort brach er sein Schweigen und sagte, dass er die Tat bedauere.