Verwaltung erhebt Abgabe für die Wertsteigerung der Grundstücke. Helga und Otto Sünkenberg wissen nicht, wie sie die Summe aufbringen sollen. Stadt bietet Gespräch an.

Norderstedt. "Das belastet mich unheimlich, ich kann nachts nicht mehr ruhig schlafen", sagt Helga Sünkenberg (71). Die Last, die der Norderstedterin und ihrem Mann Otto (72) auf der Seele liegt, sind 136 500 Euro. Das ist die Summe, die die beiden an die Stadt Norderstedt zahlen sollen. Auf diesen Betrag hat das städtische Amt für Finanzen den sogenannten Ausgleichsbeitrag festgesetzt - hinter diesem Begriff verbirgt sich die angenommene Wertsteigerung des Grundstücks. "Das Geld können wir nicht aufbringen, wir haben nur 17 000 Euro Rente im Jahr", sagt Otto Sünkenberg, der inzwischen einen Anwalt eingeschaltet hat und gegen den Bescheid vor dem Verwaltungsgericht in Schleswig klagt.

Grund für den Bescheid ist der Wohnort des Ehepaars. Sie wohnen an der Norderstraße und damit mitten in Norderstedt-Mitte. Seit Anfang der 70er-Jahre wurde der neue Stadtteil als Entwicklungsmaßnahme nach dem Städtebauförderungsgesetz auf ehemaligen Wiesen und Erdbeerfeldern hochgezogen. Die Stadt hat Schulen, Straßen, Kindergärten und andere öffentliche Einrichtungen finanziert, indem sie Ackerland in Bauland umgewandelt und den Gewinn abgeschöpft hat. In einem aufwendigen Gutachten wurde für jedes der gut 110 betroffenen Grundstücke die potenzielle Wertsteigerung ermittelt.

Für das 780 Quadratmeter große Grundstück der Sünkenbergs hat der Gutachter den Anfangswert mit 65 Euro Quadratmeter festgelegt. Damals war die Fläche noch nicht bebaut. "Wir wollten 1973 bauen, bekamen aber keine Genehmigung", sagt Otto Sünkenberg. Erst 1985 durften die beiden ihren Bungalow hochziehen. Den Endwert beziffert das Gutachten auf 240 Euro. Die Differenz ergibt die Ausgleichsabgabe von 136 500 Euro. "Diese Summe können wir niemals aufbringen, da müssten wir schon unser Haus verkaufen", sagt Sünkenberg. Er sei durchaus bereit, einen Betrag zu zahlen, aber nicht in dieser Höhe. Die beklagt das Ehepaar auch vor Gericht. "Der Anfangswert müsste höher sein. Und der ist ohnehin problematisch, weil er erst nachträglich, und zwar 2004, festgelegt wurde", sagt Bernd Bassler von der örtlichen Rentnerpartei, der dem Ehepaar helfen will.

Vor Gericht streiten sich auch Sünkenbergs Nachbarn mit der Stadt. Claudia und Thomas Krögler sollen zwar "nur" 15 864 Euro an Ausgleichsabgabe zahlen, aber: "Laut Städtebauförderungsgesetz müssen solche Entwicklungsmaßnahmen zügig realisiert werden. Und von Zügigkeit kann bei mehr als 30 Jahren ja wohl nicht mehr die Rede sein", sagt Claudia Krögler. Teilen die Verwaltungsrichter die Auffassung, dass die Zügigkeit nicht eingehalten wurde, wären alle Bescheide hinfällig.

Ohnehin hat die Norderstedterin Zweifel daran, dass die Stadt korrekt abrechnet. "Ich weiß, dass viele aus der Zahlungspflicht entlassen wurden, die Gründe sind aber nicht bekannt", sagt Claudia Krögler. Es sei nur noch eine Handvoll, die zur Kasse gebeten werden. Da bleibe ein "Geschmäckle".

Nachbar Sünkenberg verweist noch auf einen Aspekt: "Wieso müssen wir schon jetzt zahlen und nicht erst dann, wenn wir verkaufen und die Wertsteigerung auch greift?" Das lasse das Städtebauförderungsgesetz leider nicht zu, entgegnet Baudezernent Thomas Bosse, der sich dagegen wehrt, das hier "gemauschelt wird oder irgend etwas nicht mit rechten Dingen zugeht".

Viele hätten die Abgabe schon bezahlt, und aus der Pflicht könne schon wegen des Grundsatzes der Gleichbehandlung und aus rechtlichen Gründen niemand entlassen werden. Außerdem müsse die Stadt Städtebaufördermittel ans Land Schleswig-Holstein zurückzahlen. "Und Geld, das wir den Bürgern erlassen, muss die Stadt zahlen", sagt Bosse. Dennoch sieht er im Fall Sünkenberg einen Härtefall. "Wir werden mit den beiden ein Gespräch führen und sehen, was sich machen lässt", sagt der Dezernent.