Am 8. Mai 1996 schreibt NZ-Redakteur Herbert Lau über die harte Gangart der Polizei gegen Cruiser, die verbotene Autorennen fahren.

Mit ungewöhnlich harten Sanktionen will die Polizei den Cruiser-Wahnsinn im Kreisgebiet Segeberg stoppen. Sie erhält dabei von der Staatsanwaltschaft in Kiel volle Rückendeckung. Nachdem es in Henstedt-Ulzburg in jüngster Zeit bei sogenannten Beschleunigungsrennen junger Autofahrer zu mindestens drei Unfällen mit fünf Verletzten und knapp 50 000 Mark Sachschaden gekommen war, drohen den Cruisern jetzt neben Geldstrafen auch Strafanzeigen, Führerscheinentzug und Beschlagnahmung des Autos.

Nachdem die Raser mit den heißen Reifen aufgrund massiven Polizeieingreifens und gesperrter Straßen aus dem Gewerbegebiet von Norderstedt verdrängt worden waren, treffen sich jetzt meist sonntags bis zu 300 Autobesitzer im Industriegebiet an der Gutenbergstraße in Henstedt-Ulzburg. "Wir konnten bisher kaum etwas gegen diese Rennen unternehmen und fühlen uns langsam von diesen Typen verarscht", sagt Polizeiobermeister Hartmut Gartmann (32). Das Geschehen bei diesen Rennen läuft immer nach gleichem Muster ab. Da treffen sich zum Beispiel auf dem Allkauf-Parkplatz Autofahrer, die etwa 20 Jahre alt sind und die offensichtlich ihren Spaß daran haben, die PS-Kräfte ihrer aufgemotzten Autos zu testen. Das läuft so ab, dass sich zwei Autofahrer absprechen, nicht selten Wetten abschließen und sich dann aus dem großen Kreis der restlichen Autos lösen, um in einer abgelegenen Straße mit aufheulenden Reifen ihre Rennen austragen.

Das geht nicht immer glimpflich ab, wie drei Unfälle aus jüngster Zeit beweisen. Gartmann schildert einen Fall: Auf der Straße Heidkoppel krachten zwei Opel Kadett GSi ineinander. 25 000 Mark Schaden war die Bilanz. Als die Polizei eintraf, wurde ihnen die Geschichte von einem "misslungenen Wendemanöver" aufgetischt. Eine 20-jährige Hamburgerin behauptete zunächst, den anderen gerammt zu haben. Weil sie aber mit einem Verfahren wegen Körperverletzung rechnen musste, revidierte sie Tage später ihre erste Aussage. Danach hat sie sich nur als Fahrerin ausgegeben, weil ihr Freund überhaupt keinen Führerschein besaß. Sie gab auch zu, dass sich die beiden Kadett-Fahrer ein Rennen geliefert hatten.

Um diese Cruisertreffen und -rennen zu verhindern, wurden bereits Schilder aufgestellt, die ein "Verbot der Einfahrt" gebieten. Aber nach Polizeiangaben scheren sich die Raser nicht darum. Hartmut Gartmann: "Bei Missachtung kassieren wir 20 bis 40 Mark Strafe, die Autofahrer aber sehen diesen Betrag als Eintrittsgeld an". Der junge Polizeibeamte schimpft: "Wir haben weiß Gott mehr zu tun, als uns mit diesem Haufen wildgewordener 20-jähriger abzugeben. Wir wollen erreichen, dass sie hier verschwinden - für alle Zeiten. Wir können nicht machtlos zusehen, bis wir den ersten Toten zu beklagen haben."

Die Staatsanwaltschaft, die sich bisher recht zurückhaltend bei den Sanktionen gegenüber den Cruisern verhalten hat, ist voll auf die Seite der Polizei eingeschwenkt. Die Polizisten werden künftig Strafanzeigen gegen die Raser wegen Gefährdung des Straßenverkehrs nach den Paragraphen 315 c des Strafgesetzbuches (Gefährdung des Straßenverkehrs) und 315 b (gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr) stellen. Gartmann: "Den Uneinsichtigen wird der Führerschein abgenommen und im Wiederholungsfall das Auto eingezogen."