Gewerkschaft und Betriebsrat kritisieren “Alleingang“ der Geschäftsführung. Entlassungen seien überflüssig, das Unternehmen schreibe schwarze Zahlen.

Norderstedt. "Wir dürfen nicht zulassen, dass wir hier wie Zitronen ausgequetscht und dann abgeschoben werden." Ayhan Öztürk (48) fand deutliche Worte, als er gestern die Mitarbeiter von Johnson & Johnson in Norderstedt auf Widerstand einschwor. Der Betriebsratsvorsitzende sprach zu Schichtbeginn um 6.30 Uhr vor dem Werkstor an der Robert-Koch Straße zu rund 200 Beschäftigten. Sie waren dem Aufruf zum Protest gegen den geplanten Abbau von 400 Stellen gefolgt.

3Betroffen sind die Mitarbeiter in der Produktion, in der jedes Jahr nach Unternehmensangaben 180 Millionen Nadeln für Chirurgen hergestellt werden. Das medizintechnische Unternehmen, mit 2300 Mitarbeitern größter Arbeitgeber in Norderstedt, will Teile der Produktion in andere Länder verlagern und in Deutschland auf automatisierte Produktionslösungen setzen. Der Arbeitsplatzabbau soll schrittweise in den nächsten Jahren erfolgen, auch betriebsbedingte Kündigungen seien vorgesehen, teilte das Unternehmen mit (wir berichteten). Nur so könne der Gesundheitskonzern international wettbewerbsfähig bleiben.

"Es ist gut, dass Ihr Euch den Einschüchterungsversuchen nicht gebeugt habt und rausgekommen seid", sagte Jan Eulen, Bezirksleiter der Gewerkschaft IGBCE, der der Belegschaft Unterstützung zusagte. Andere Mitarbeiter waren offensichtlich aus Angst im Unternehmen geblieben. Eulen wie Öztürk kritisierten nicht nur die geplante Verlagerung der Produktion in Billiglohnländer, sie zeigten sich auch massiv verärgert über das Vorgehen der Geschäftsleitung: "Die Geschäftsführung hatte uns zugesagt, dass wir alle zwei Wochen einen schriftlichen Bericht über die Untersuchungen von A.T. Kerney bekommen, das ist aber nicht geschehen", sagte Öztürk. Stattdessen sei der Betriebsrat am Freitag überraschend über die Spar-Pläne informiert worden.

Die Unternehmensberater prüfen an allen europäischen Standorten des internationalen Gesundheitskonzerns, ob und wie Kosten gesenkt werden können. 30 Prozent sollen gespart werden. Das Ergebnis für Norderstedt: Die manuelle Fertigung, in der rund 1000 Beschäftigte Operationsnadeln und Fäden zusammenfügen, sei zu teuer. Sie soll automatisiert und nach Übersee verlagert werden, wo billiger produziert werden könne. "Das ist eine krasse Fehlentscheidung, denn hier wird seit 50 Jahren Qualitätsarbeit geleistet. Das Unternehmen schreibt schwarze Zahlen, die Produktivität ist sei 2003 um 20 Prozent gestiegen", rief Bezirksleiter Eulen den Mitarbeitern zu. Er forderte die Geschäftsleitung auf, mit den Arbeitnehmervertretern einen Dialog auf Augenhöhe zu führen. Und der müsse ergebnisoffen sein und nicht von Sparvorgaben diktiert sein.

"Das Verhalten der Firmenleitung ist unverschämt. Wir haben aus den Medien von den geplanten Entlassungen erfahren", sagt Ismail Demirel (45), der seit neun Jahren in der Produktion arbeitet. Der Verlust des Arbeitsplatzes sei das "Schlimmste, was passieren kann". Gabriele Roloff (59), seit 20 Jahren in der Produktion: "Ich arbeite gern hier, und wir machen unsere Sache wirklich gut. Wenn uns jetzt nicht mal gestattet wird, für unsere Arbeitsplätze zu kämpfen, dann würde ich das sehr traurig finden."

"Und was ist mit anderen Bereichen wie dem Service-Bereich?", wollten Mitarbeiter wissen. Auch Küche und Kantine könnten in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn "plötzlich 400 Essen weniger ausgegeben werden", entgegnete Eulen. Er forderte die Belegschaft auf, für den Erhalt der Arbeitsplätze zu kämpfen. "Wir müssen gemeinsam auftreten und das durchfechten", sagte er. Stadtvertreter Miro Berbig (Die Linke), SPD-Landtagskandidat Heiner Köncke und Grünen-Landtagskandidation und Stadtvertreterin Anette Reinders solidarisierten sich mit den Mitarbeitern.