Der Norderstedter wollte Schadensersatz - der HSV spricht von Unterschlagung und Nötigung.

Norderstedt. Rolf Pfendt ist kein Fußballfan. Deshalb interessierte er sich auch nicht für das Trainingsspiel auf dem HSV-Gelände direkt neben dem öffentlichen Fuß- und Radweg, der zur Schleswig-Holstein-Straße führt. Der 77 Jahre alte Rentner aus Norderstedt war dort mit dem Fahrrad unterwegs, als plötzlich ein Fußball gegen die Speichen seines Vorderrades krachte. Der Schaden war gering, aber der Streit groß: Rolf Pfendt legte sich mit dem mächtigen HSV an.

Der Fußball kam mit solcher Wucht angeflogen, dass eine Speiche herausbrach und das Rad anschließend leicht verdreht war. Woher der Ball kam, war klar. Warum der Ball vom Sportplatz auf den Weg gelangen konnte, wurde Rolf Pfendt schnell deutlich: Zwar ist der Sportplatz eingezäunt, aber ein hoher Zaun steht nur hinter dem Tor. Ansonsten hat der Zaun allenfalls eine geschätzte Höhe von zwei Metern. Wie auf einem vom Geschädigten gemachten Foto deutlich wird, war der Ballfangzaun hinter dem Tor teilweise kaputt und durchlöchert. Dieser Schaden ist inzwischen behoben.

Weil niemand kam, um den Ball der Marke "Adidas" und der Filzschreiberaufschrift "U19" zurückzuholen, nahm Rolf Pfendt ihn zunächst mit nach Hause und meldete sich anschließend telefonisch beim HSV. Weil er aber außerhalb der Geschäftszeiten anrief, setzte sich der pensionierte Beamte hin, schilderte in einem Brief die Umstände des Unfalls und kündigte seine Schadensersatzforderung in Höhe von 7,50 Euro an - das verbogene Vorderrad musste von einem Fachmann repariert werden.

Der HSV reagierte forsch. Justitiar Dr. Jan Räker eröffnete sein Schreiben ohne Umschweife mit der Feststellung, dass die Schadensersatzforderung abschlägig beschieden werde, denn der HSV sei auf dem Gelände in Norderstedt-Ochsenzoll allen Verkehrssicherungspflichten ordnungsgemäß nachgekommen. Gleichzeitig unterstellte Räker dem Geschädigten, dass er Besucher der Anlage gewesen sei und somit auf eigene Gefahr gehandelt habe. Den Ball müsse Herr Pfendt bis zu einer bestimmten Frist beim Nachwuchsleistungszentrum des HSV zurückgeben, ansonsten würde Strafanzeige wegen Unterschlagung und versuchter Nötigung erstattet. Kein Wort des Bedauerns oder einer Entschuldigung.

Rolf Pfendt weiß natürlich, dass ein Schaden von 7,50 Euro am Vorderrad seines Fahrrades keine weltbewegende Sache ist. Aber er betrachtet den Vorfall auch aus einem anderen Blickwinkel. "Was wäre passiert, wenn mich der Ball am Kopf getroffen hätte, und ich wäre vom Fahrrad gestürzt?" Diesen Gedanken hält er für gar nicht so abwegig.

Der HSV hat ihm die 7,50 Euro inzwischen erstattet, den Ball hat Rolf Pfendt zurückgegeben - etwas anderes hatte er ohnehin nicht vorgehabt. Aber HSV-Justitiar Jan Räker weist darauf hin, dass der HSV nicht verpflichtet gewesen wäre, die 7,50 Euro für die Reparatur des Fahrrades zu erstatten. Zwar gibt Räker gegenüber der Norderstedter Zeitung zu, dass er tatsächlich geglaubt habe, Rolf Pfendt sei auf dem HSV-Gelände gewesen, dennoch gebe es keinen Anlass für eine Entschuldigung oder ein anderes Vorgehen. "Herr Pfendt hat dem HSV gegenüber eine Straftat begangen", bekräftigt der Justitiar, der damit auf das Einkassieren des Fußballes anspielt.

Im Übrigen gibt er dem Vorfall eine grundsätzliche Bedeutung: "Wer sich neben einem Sportplatz aufhält, muss damit rechnen, von einem Ball getroffen zu werden." Wenn jeder Amateurverein seine Fußballplätze hoch einzäunen müsste, wären die Vereine finanziell kaputt. Räker verweist auf das Beispiel der Golfplätze: Dort würden die Spieler und nicht die Betreiber haftbar gemacht, wenn ein Passant von einem Ball getroffen werde.