Kleingartensiedlungen werden zunehmend für Familien interessant. Immer mehr Parzellen werden von jüngeren Menschen übernommen.

Norderstedt. Akkurat gestutzte Hecken, blank polierte Gartenzwerge, penible Einhaltung von Mittagspausen und Saatfolgen - Schrebergärten galten lange als Inbegriff deutschen Spießertums. Dieses Bild scheint sich zu wandeln. Immer mehr junge Menschen finden Geschmack am eigenen Gartenparadies. Jäten, buddeln und grillen - das ist für viele der perfekte Ausgleich für das stressige Berufsleben. Ein Stück Natur, in dem man sich körperlich und kreativ austoben kann, Freiluftpartys feiert oder einfach mal die Seele baumeln und die Kinder laufen und spielen lässt.

Junges Gemüse ist bei den Laubenpiepern nicht nur geduldet, sondern herzlich erwünscht. Der Vorsitzende vom Landesbund der Kleingartenfreunde in Schleswig-Holstein, Uwe Firsching, beobachtet eine allmähliche "Wachablösung". Noch sind zwei Drittel der Schrebergärtner in Schleswig-Holstein über 60, die Neupächter sind aber überwiegend jüngere Menschen zwischen 25 und 45. Ein Generationswechsel ist also im Gange. Dennoch betont Firsching: "Es muss noch mehr für den Nachwuchs getan werden." Besonders im ländlichen Bereich haben die Vereine mit Leerständen zu kämpfen. Es sterben mehr alte Leute als junge nachkommen. "Manche Vereine sind fortschrittlicher und bemühen sich aktiv um Nachwuchs." Der Landesverein empfiehlt den Vereinen mit Anzeigen und Kinderfesten auf sich aufmerksam zu machen.

Der mit nur 39 Parzellen kleinste Kleingartenverein Norderstedts in Glashütte sucht jetzt Nachfolger für zwei Gärten. "Wir hätten hier gern wieder mehr junge Familien mit Kindern", sagt der Vereinsvorsitzende Hanuschik (41), der selbst mit Anfang 30 zu seinem Garten gekommen ist und sich niemals als typischen Kleingärtner bezeichnen würde. "Bei uns ist es nicht so streng. Ein bisschen nach rechts und links wuchern muss auch drin sein." Wer einen Schrebergarten pachten möchte muss sich auch im Kleingartenverein Glashütte an das deutsche Kleingartengesetz halten, also mindestens ein Drittel der Fläche mit Obst und Gemüse bepflanzen. Aber man nimmt Rücksicht darauf, dass sich Berufstätige erholen wollen: "Kleingärten werden von jungen Leuten eher als Freizeitgärten genutzt, als Wochenenddomizil, für Partys und zum Grillen", sagt Andreas Hanuschik. "Die Alten müssen aber auch sein. Sie bringen einem viel bei." Der Pensionär Gerhard Krause (60) erteilt gern Ratschläge: "Den jungen Leute fehlt einfach das Wissen." Deshalb erklärt er ihnen, was man bei Saatterminen, Kulturfolge und Schädlingsbekämpfung alles beachten muss und zeigt den Kindern wie sie Nistkästen bauen können. Andreas Hanuschik weiß, dass die Bedürfnisse der Pächter unterschiedlich sind: "Manche wollen hier aktiv werden, andere wollen sich nur erholen. Das darf jeder machen wie er will, so lange das Gesamtbild stimmt."

Dass Kleingärten nichts mit Kleinkariertheit zu tun haben müssen, sieht man besonders gut an dem Garten von Tugba Turp, den sie selbst auch gern ihren "Dschungel" nennt. Die 25 Jahre alte Bäckereifachverkäuferin hat in diesem Jahr die Parzelle ihrer Eltern übernommen. Sie baut türkischen Mais, Bohnen, Kürbis und Weintrauben wild durcheinander an und fühlt sich dabei wie in einer kleinen Oase: "Hier ist man allein und wird nicht gestört. Das ist für mich wie ein Kurzurlaub." Wenn die Familie, die Verwandtschaft oder Freunde vorbeikommen, wird in Tugbas "Dschungel" entspannt, geredet und gegrillt. "Und jeder nimmt eine Ladung Gemüse mit. Das ist natürlich alles bio."

Die älteren Gärtner wollen nicht, dass man laut Musik hört, dafür hat Tugba Turp Verständnis. "Wir halten uns an die Regeln, aber es wuchert hier ein bisschen mehr." Auch wenn jemanden meckert, findet Tugba Turp die Nachbarschaft hier sehr entspannt. Die Generationen und Nationen tauschen ihre Erfahrung und ihre Ernte aus. Und dann und wann wird im Vereinshaus gemeinsam gefeiert.