Er entkam den Bombenangriffen der Briten, verpasste sein Schiff, das versenkt wurde und ging in Urlaub statt erschossen zu werden.

Norderstedt. Den kleinen Messingengel trägt er immer bei sich. Helmut Albers (87) setzt auf die Schutzkraft der Figur, die ihm Alexandra Hector geschenkt hat - die Pastorin der Christuskirche meinte, die Riesenportion Glück, der Albers gleich mehrfach sein Leben verdankt, brauche ein handfestes Symbol. Der Glücksbringer in der Tasche soll den Garstedter auch künftig vor Schaden bewahren.

Dreimal innerhalb weniger Tage hätte der Norderstedter fast sein Leben verloren. Dass er sich gerade jetzt an diese entscheidenden Situationen daran erinnert, liegt am Hamburger Feuersturm. Ende Juli/Anfang August 1943 griffen englische Bomber Hamburg an (s. Info-Kasten). Häuser brannten, Menschen starben - beinahe hätte es auch Albers erwischt. Der war damals bei der Kriegsmarine, fuhr auf einem "schwer bewaffneten" Frachter zwischen dem griechischen Piräus und dem italienischen Triest.

"Ich erkrankte an Diphtherie", sagt der agile Senior. Er ging in der italienischen Hafenstadt von Bord, um sich im Krankenhaus behandeln zu lassen und war zufrieden mit der Arbeit der italienischen Ärzte und Krankenschwestern. Der Aufenthalt endete, erholen sollte sich Albers während eines dreiwöchigen Genesungsurlaubs in der Heimat. Die war für ihn die Süderstraße in Hamburg. An der Nummer 204 betrieben seine Eltern ein Schuhgeschäft, direkt darüber wohnte die Familie. Hier wurde Albers auch geboren.

Der Soldat genoss das Zusammensein mit Vater, Mutter, Verwandten und Freunden und ahnte nicht, dass er seine Eltern zum letzten Mal gesehen hatte. Am 27. Juli musste er zurück nach Triest, um auf einem anderen Schiff anzuheuern. In der Nacht zum 28. Juli startete die Royal Air Force den zweiten Großangriff der Operation "Gomorrha". 739 Bomber warfen ihre explosive Last vor allem über Hamburgs Osten ab. Die extrem starken Winde am Boden fachten die Brände weiter an.

Die Stadtteile Rothenburgsort, Hammerbrook und Borgfelde wurden fast völlig zerstört. Etwa 30 000 Menschen verloren bei diesem Angriff ihr Leben - auch die Eltern von Helmut Albers. Ihn selbst bewahrte nur die Abreise nach Italien vor dem Tod.

Das erfuhr er aber erst später. Als der Marinesoldat in Triest ankam, meinte es das Schicksal zum zweiten Mal gut mit ihm: Sein Schiff war schon weg, Albers machte sich auf nach Piräus, um auf einem anderen Frachter Dienst zu leisten. "Und da wurde mir mitgeteilt, dass mein ursprüngliches Schiff von einem englischen U-Boot versenkt worden war, niemand hatte überlebt", sagt der Garstedter. Und noch heute schüttelt er den Kopf, wenn er an sein unverschämtes Glück denkt.

Als er seinen neuen Einsatzort betrat, drückte ihm ein Kamerad einen Brief in die Hand: "Was ich las, wollte ich nicht glauben: meine Eltern tot, das Elternhaus zerstört. Der Krieg hat mir das genommen, was ich am meisten geliebt habe", erinnert sich der Rentner. Die Nachricht aus Hamburg ließ ihn die Grausamkeit des Krieges am eigenen Leib spüren. Der Tod von Vater und Mutter setzte ihm so zu, dass er beschloss, den Kriegsdienst zu verweigern. Er wusste, dass diese Entscheidung normalerweise Tod durch Erschießen bedeutet. Aber das war ihm egal.

Als er beim Kommandeur zum Rapport bestellt wurde, sah Albers seine letzten Stunden gekommen - und hatte Glücksgöttin Fortuna wieder auf seiner Seite: "Der Kommandeur war Hamburger und hatte bei den Angriffen der Engländer ebenfalls alles verloren. Statt des Schießbefehls ordnete der Offizier Bombenurlaub in der Heimat an", sagt Albers. So kam er wieder mit dem Leben davon.

Immer wenn Albers den kleinen Schutzengel in die Hand nimmt, werden für ihn die unglaublichen Geschichten von "Helmut im Glück" wieder lebendig.