Der Gesamtbetriebsrat schlägt nun Alarm. Das Werk Norderstedt verliert wegen der Umstrukturierung die Produktion von Tafelschokolade.

Norderstedt. Die 400 Mitarbeiter der Stollwerck-Schokoladenfabrik in Norderstedt sind verunsichert, fürchten um ihre Jobs. Denn auf einer Betriebsversammlung erfuhren sie nun, dass die Produktionsanlagen für Tafelschokolade wie Sarotti oder Alpia wegen einer Neuausrichtung aus dem Werk abgezogen werden sollen. Doch Geschäftsführer Philipp Schoeller will sich nicht äußern. Auch der neu gewählte Betriebsrat in Norderstedt schweigt. Das Unternehmen verweist auf die Zentrale in Köln.

Die Mitarbeiter schweigen nicht, wollen aber lieber anonym bleiben. Einige sprechen gegenüber dem Abendblatt von 200 oder gar 300 Stellen, die in Gefahr sind. So weit will Johann Fassbender, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrates in Köln, zwar nicht gehen. Aber auch er befürchtet, dass allein in Norderstedt 100 Arbeitsplätze wegfallen, wenn dort nur noch Pralinen und keine Tafelschokolade und Dragees mehr produziert werden. "Der Zeitpunkt steht zwar noch nicht fest, wahrscheinlich wird ein Teil der Stellen aber noch dieses Jahr abgebaut", sagt er.

Unternehmenssprecher Jan Zuther bestätigt die geplante Umstrukturierung der Werke des Unternehmens, das seit Oktober 2011 zu der belgischenBaronie-Gruppe gehört. "Völlig offen ist zurzeit, ob, wo und wann dadurch Arbeitsplätze wegfallen", sagt er. Die Vorgaben kommen jetzt aus Veurne, Belgien. "Ein konsequenter Schritt in der fokussierten Ausrichtung von Stollwerck ist, die Kernkompetenzen der einzelnen Werke noch weiter auszubauen und zu vertiefen", sagt Jean-Marie van Logtestijn, Sprecher und Geschäftsführer der Baronie-Gruppe. So soll Norderstedt zum Kompetenzzentrum für Pralinen werden. Schon bisher ist das Werk darauf ausgerichtet. Insgesamt werden im Norderstedter Werk pro Jahr 12 000 Tonnen Pralinen, Dragees und Tafeln Schokolade hergestellt. 2011 wurde die Produktion um sechs Prozent gesteigert. Auch in das neue Jahr ist das Norderstedter Werk gut gestartet, versicherte Geschäftsführer Schoeller noch im März. Außerdem will er neue Produkte im Pralinenbereich entwickeln. Die Produktion von Tafelschokolade und Dragees wird dagegen künftig im Berliner Stollwerck-Werk mit rund 330 Beschäftigten erfolgen.

Der Standort Saalfeld mit 540 Mitarbeitern wird zum Kompetenzzentrum für Tafeln, Trüffel, Saison- und Spezialitätenerzeugnisse. Des Weiteren sehen die Pläne vor, dass jedes Werkeine eigene Abteilung für Forschung, Entwicklung und Qualitätssicherung bekommt. "Im Rahmen der Umstrukturierung ist es auch denkbar, dass Norderstedter Mitarbeiter in andere Werke wechseln und Beschäftigte von dort nach Norderstedt kommen", sagt Jan Zuther. Die Unternehmensführung werde die Neuorganisation Schritt für Schritt realisieren und erst dann Stellung beziehen, wenn Fakten vorliegen.

"Konkrete Zahlen zum Arbeitsplatzabbau in Norderstedt kennen wir nicht", sagt Lutz Tillack von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). "Aber wir sind mit dem Betriebsrat in ständigem Kontakt." Tillack setzt darauf, dass die konkreten Pläne zur Umstrukturierung mit dem Betriebsrat besprochen werden müssen. "Das ist bisher nicht der Fall. Es gibt Pläne, aber die sind bisher noch nicht umgesetzt, und die Unternehmensführung muss sich darauf einstellen, dass wir nicht unvorbereitet sind und über eine kampferprobte Belegschaft verfügen", sagt Tillack.

Der Gewerkschafter bestätigt aber, dass im Werk große Unruhe und Angst um die Zukunft herrschen. "Unsere Aufgabe ist es jedoch nicht, besorgt zu sein", sagt Tillack. "Wir wollen einen Arbeitsplatzabbau verhindern und Härten von den Beschäftigten abwehren. Dafür verfügen wir über ein erprobtes Handwerkszeug."

Das dürfte nach Ansicht Johann Fassbenders aber schwierig werden. "Das sind unternehmerische Entscheidungen, auf die wir keinen Einflusshaben", sagt der Vorsitzende desGesamtbetriebsrates in Köln. Der Betriebsrat könne nur versuchen, mögliche Entlassungen sozial abzufedern. Seit 2003 gebe es einen Sozialplan, der vor Kurzem fortgeschrieben worden sei. In den vergangenen zehn Jahren sei es zu Werksschließungen gekommen, weit mehr als 1000 Beschäftigte hätten ihre Arbeitsplätze verloren.

Stollwerck wurde 1839 gegründet und gehörte von 2002 bis 2011 dem Schweizer Schokoladenhersteller Barry Callebaut, der die deutsche Stollwerck-Gruppe 2011 an die belgische Baronie-Gruppe verkaufte.