Der Norderstedter Reimer Rathje will in der Stadtvertretung Druck machen, mehr Maschinen sollen über Hamburg starten und landen.

Norderstedt. Der Protest gegen den Fluglärm in Norderstedt bekommt Aufwind. Rund ein Dutzend Garstedter wollen eine Partei gründen und in der Stadtvertretung Druck machen. "Unser Ziel ist, dass die Starts und Landungen gerechter zwischen Hamburg und dem Umland verteilt werden", sagt Reimer Rathje, Initiator des politischen Widerstands. Die Forderung ist nicht neu, seit Jahrzehnten versuchen Bürgermeister der Umlandgemeinden, Kommunalpolitiker, Staatssekretäre und selbst Minister die Menschen in Norderstedt, Quickborn, Hasloh, Henstedt-Ulzburg und Ellerau vom Lärm aus der Luft zu entlasten - vergeblich.

Viele Betroffene haben resigniert, sagt Hans Schwarz, Vorsitzender der Norderstedter Interessengemeinschaft für Fluglärmschutz. Schwarz, Uwe Kühl, Heinz-Walter Schmatz, sie und andere haben immer wieder darauf hingewiesen, wie die Lebensqualität leide. Alle zwei Minuten ein Flugzeug über dem Kopf, schon morgens um 6 und abends um 22 Uhr noch immer - dieser Krach ohne Pausen sei nicht auszuhalten, mache krank.

Rathje empfindet vor allem den Lärm am Wochenende als empfindliche Ruhestörung. Er müsse wochentags sehr früh aufstehen und freue sich auf das Ausschlafen am Sonnabend und Sonntag. Doch auch da sei die Nacht um 6 Uhr zu Ende. Und vor 23 Uhr habe es im Sommer keinen Sinn, sich auf der Terrasse aufzuhalten. Wenn er die Tür öffne, müsse er am TV-Gerät den Ton alle paar Minuten nachjustieren.

Der Garstedter erkennt den Einsatz der Vorreiter gegen den Fluglärm an, aber: "Wir brauchen neue, unverbrauchte Kräfte und andere Formen, um wenigstens Lärmpausen durchzusetzen." Und beim Bemühen um Unterstützung hat auch der Betriebswirt Resignation erlebt. Der 42-Jährige, der in Garstedt lebt und aufgewachsen ist, habe mehrfach bei der CDU nachgefragt. "Entweder habe ich gar keine Antwort bekommen. Oder man hat mir gesagt, am Fluglärm könne man nichts ändern", sagt der Norderstedter. Ähnlich sei die Auskunft von Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote ausgefallen.

Wir brauchen nicht die Fehmarnbelt-Querung, sondern Hilfe hier und jetzt

Es sei ja schön, wenn sich die Norderstedter Landtagskandidatinnen von CDU und SPD für die Fehmarnbelt-Querung, den Weiterbau der A 20 oder Frauenförderung einsetzen. "Hilfe ist aber hier nötig, Unterstützung brauchen die Menschen, für die die Politikerinnen schwerpunktmäßig zuständig sind", sagt Rathje, der der Landesregierung Schwäche im Umgang mit Hamburg vorwirft. Die Elbvertiefung, der Schleswig-Holstein zustimmen musste, sei ein Druckmittel gewesen.

Rathje betont, den Flughafen Hamburg grundsätzlich genauso zu akzeptieren wie den Flugverkehr. Es müssten eben nur mehr Maschinen über die Hamburger Bahnen starten und landen. Seit Jahresbeginn habe sich die Situation jedoch nochmals verschärft, bis Ende März habe die Lärmbelastung für die Menschen in den Umlandgemeinden deutlich zugenommen. Die Statistik der für den Flugbetrieb zuständigen Hamburger Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt meldet für Januar 3371 Starts, für Februar 4240 und für März 5107 über die Norderstedter Bahn. Rathje hat ausgerechnet, dass das für März 81 Prozent bedeutet, für Februar 78 und für Januar 64 Prozent. Hinzu kämen noch die Landungen mit neun bzw. 17 Prozent.

"Da wir in Hamburg ein Bahnkreuz haben, könnten die Starts und Landungen auf vier Bahnen verteilt werden, sodass alle Betroffenen ein Viertel des Lärms ertragen müssten und nicht wir Garstedter vier Fünftel", sagt Rathje. Anders ausgedrückt müssten die Norderstedter mit täglich 200 Starts leben, diese Zahl ließe sich auf 50 reduzieren, wenn die anderen Bahnen stärker einbezogen würden.

Im Umland leiden weniger Menschen unter Fluglärm als in Hamburg

Eine aus Norderstedter Sicht reizvolle, aber zurzeit völlig unrealistische Vision. "Nach den Bahnbenutzungsregeln müssten eigentlich sogar alle Starts über Norderstedt hinweg erfolgen", sagt Uwe Schacht von der Fluglärmschutzbehörde. Hamburg begründet diese Vorgabe damit, dass im nördlichen Umland deutlich weniger Menschen von Fluglärm betroffen seien als in der dicht besiedelten Metropole. Im Durchschnitt der letzten Jahre seien sechs von zehn Maschinen über Norderstedt hinweg gestartet. Die Zunahme vor allem im März sei durch die Wetterlage zu erklären. Der Nordwestwind zwinge die Piloten dazu, Richtung Norderstedt/Quickborn abzuheben.

Rathje weiß auch, dass die Interessengemeinschaft Flugschneise Nord gegen die gültigen Bahnbenutzungsregeln klagt. Doch der Prozess werde sich über Jahre hinziehen. Nötig sei aber schnelle Hilfe. Die will er mit einer neuen Partei erzwingen. "Nach unseren Berechnungen auf Basis der letzten Kommunalwahl in Norderstedt würden uns 1300 Stimmen genügen, um mit fünf Prozent in die Stadtvertretung einzuziehen", hat der Initiator ermittelt, der inzwischen ein Dutzend Unterstützer auf seiner Seite hat. Und da der Frust der Betroffenen sehr groß sei, rechneten die Parteigründer mit zehn bis 20 Prozent der Stimmen. Bei 25 788 abgegebenen gültigen Stimmen (knapp 43 Prozent Wahlbeteiligung) bedeute das 2500 bis 5000 Stimmen. Weitere Infos unter E-Mail garstedt2013@web.de .