Das fordert der Seniorenbeirat. Stadt soll Konzept nach dem Bielefelder Modell erarbeiten - bezahlt wird nur, was auch in Anspruch genommen wird

Norderstedt. Die Stadt muss sich stärker als bisher auf den demografischen Wandel einstellen und ein Wohnkonzept für alte Menschen vorlegen. Dafür hat sich der Norderstedter Seniorenbeirat im Sozialausschuss ausgesprochen. "Wir haben uns intensiv mit der Bevölkerungsentwicklung beschäftigt und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass barrierefreie und vor allem bezahlbare Wohnungen mit Versorgungssicherheit fehlen", sagte Hans Jeenicke, der im Seniorenbeirat den Arbeitskreis Soziales leitet.

Ältere Menschen verbringen bis zu 85 Prozent ihrer Zeit in der Wohnung, daraus folgert der Seniorenbeirat: "Alltag im Alter bedeutet vor allem Wohnalltag", sagte Jeenicke. Er hat auch schon ein Vorbild für Norderstedt gefunden: Das "Bielefelder Modell" sei ein gelungenes Beispiel für nachhaltige Stadtentwicklung. "Das ,Bielefelder Modell' ist ein Quartierskonzept für selbstbestimmtes Wohnen und Versorgungssicherheit, aber ohne Betreuungspauschale", sagte Jeenicke, als er dem Ausschuss das Modell vorstellte. Basis sei die Kooperation zwischen einer Wohnungsgesellschaft und einer ambulanten Einrichtung.

Die Wohnungsgesellschaft stellt barrierefreie Wohnungen sowie Gemeinschaftsräume, Wohn-Café, Funktionsräume, Gästewohnungen und den üblichen Mieterservice. Dafür müssten nicht zwangsläufig neue Gebäude gebaut werden, es könnten auch bestehende umgebaut werden. Der ambulante Dienst schlägt Mieter für vier bis sechs Wohnungen vor, die auf medizinische Hilfe angewiesen sind. "So wird gewährleistet, dass immer Mieter im Haus wohnen, die Betreuungsleistungen benötigen. Dadurch kann sich der ambulante Dienst finanzieren, und eine 24-stündige Präsenz im Haus ist möglich", sagte Jeenicke. In der Praxis habe sich gezeigt, dass weitere Serviceleistungen des ambulanten Kooperationspartners gerne angenommen werden.

Die Möglichkeit, bei Bedarf auf Hilfe zurückgreifen zu können, erzeuge eine große Sicherheit für die Mieter der sozial oder frei finanzierten Wohnungen. "Entscheidend ist, dass die Mieter nur für Leistungen zahlen, die auch erbracht worden sind. Es gibt keine Betreuungspauschale, wie sie in den meisten Wohnprojekten mit Service üblich ist", sagte der Referent. Grundsätzlich schließe der Mieter einen Mietvertrag mit der Wohnungsgesellschaft ab und kann selbstständig entscheiden, welchen ambulanten Dienstleister er in Anspruch nehmen will.

"Aber ob Wohngruppe, Hausgemeinschaft oder Haus - die Architekten haben sich in Bielefeld eine Menge an Wohnqualität und baulicher Gestaltung einfallen lassen", sagte Jeenicke. Dieses Kooperationsmodell lohne sich für alle Beteiligten. Unterschiedliche Wohnformen kämen dabei zustande, und zwar nicht auf der grünen Wiese, sondern innerhalb der Stadtteile. Da, wo es günstige Verkehrsverbindungen, Einkaufszentren, Gaststätten, Ärztezentren, Kultur, Sport gebe - also urbanes Leben und Kommunikation, was gerade Senioren schätzten und bräuchten.

"Keiner will allein sein. Im Alter erst recht nicht", so Jeenicke. Und da sei Bielefeld Vorreiter mit seiner Wohn-Seniorenarbeit. Ziel sei es, den Menschen auch bei steigender Hilfebedürftigkeit das Wohnen im eigenen und vertrauten Umfeld zu ermöglichen. Dort, wo soziale Kontakte bestehen und neue geknüpft werden können. Solche Wohnformen förderten zudem ehrenamtliches Engagement, Freiwillige könnten zum Beispiel im Wohn-Café arbeiten. Die Dienstleistungen für die Hausbewohner können auch den Menschen im Umfeld angeboten werden. So profitiert das gesamte Quartier.

"So an die 70 Städte haben das Modell inzwischen erfolgreich nachgeahmt", betont die Vorsitzende des Norderstedter Seniorenbeirats, Angelika Kahlert. "Das streben wir schon lange für Norderstedt an. Denn in unseren Beratungsstunden im Rathaus hören wir, was die Bürger wollen. Die Stadtplanung kommt an der demografischen Entwicklung nicht vorbei."