Hamburger trotzen an der See dem Dauerregen - und schwärmen vom Leben im Wohnwagen. Ein Ortsbesuch in Dahme

Hamburg/Dahme. Die Blumenkästen sind bunt gefüllt, die Hecken geschnitten, die Steinplatten im Vorgarten sauber verlegt. Doch niemand sitzt draußen auf den Gartenstühlen, um diese Idylle auf dem Campingplatz "Stieglitz" in Dahme in Ostholstein zu genießen. Denn es regnet in Strömen. Bei solchem Wetter ist es im Innern des Vorzelts von Elke und Günter Maaß umso gemütlicher. "Man muss sich das Wetter eben versüßen", sagt Elke Maaß. Im Ofen backt ein Eierlikörkuchen, der Duft strömt durch den Raum, der ein Vorzelt ist. Das Ehepaar Maaß aus Steilshoop ist seit 37 Jahren Dauercamper. Von April bis Oktober ziehen die Rentner aus ihrer 92-Quadratmeter-Wohnung in ihr 30-Quadratmeter großes Camperglück, in Wohnwagen und Vorzelt. Den Sommer über sind die Rentner am Meer zu Hause. Auch wenn es ein durchwachsener Sommer ist.

Die Eheleute Maaß sind Camper, wie Millionen andere Deutsche. Und es werden immer mehr, die sich für Urlaub in Zelt und Wohnwagen interessieren. Camping steht auf einer Stufe mit Abenteuer- und Wellnessreisen und ist beliebter als Urlaub auf dem Bauernhof oder Fahrradtourismus. Ulrich Reinhardt von der BAT-Stiftung für Zukunftsfragen, die das Reiseverhalten der Deutschen untersucht: "Campingurlaub kommt wieder in Mode."

Gehörten Senioren und Familien in den 70er-Jahren zur Kerngruppe, sind es heute vermehrt jüngere Leute, die mit Zelt, Wohnmobil oder Wohnwagen unterwegs sind. Aus zwei Gründen: "Die Jungen erleben eine Renaissance ihrer eigenen Jugend - viele sind mit ihren Eltern auf den Campingplatz gefahren", so Reinhardt. Außerdem beobachtet der Wissenschaftliche Leiter der Stiftung eine Hinwendung zur Natur und zum einfachen Leben. "Viele haben Vier-Sterne-Hotels mit Büfett kennengelernt - da kann es auch mal ganz schön sein, sich einfach eine Bratwurst auf den Gemeinschaftsgrill zu legen."

Das Einfache am Camping mögen auch Elke und Günter Maaß, und doch haben sie ihr zweites Zuhause eingerichtet wie eine richtige Wohnung: mit Backofen, Kühlschrank inklusive Gefrierfächern, Fernseher, Kaffeemaschine und Fahrradständern im Garten. Neben dem Eingang hängt ein Staubwedel.

Den Löwenanteil an den Campingurlaubern machen aber laut BAT nach wie vor mit 20 Prozent Familien mit Kindern aus. Die meisten von ihnen blieben "ihrem Platz" treu. Forscher Reinhardt findet das absurd. Schließlich biete gerade das Reisen mit Wohnwagen größtmögliche Flexibilität. Die würden aber lediglich die ganz jungen Camper genießen, die mit dem Zelt unterwegs seien.

"Was den Campingurlaub zudem besonders reizvoll macht, ist die gefühlte Nachbarschaft: Man duzt sich, leiht sich Zucker oder eine Taschenlampe, weiß, wo die Kinder spielen können", sagt der Forscher. "Das ist attraktiver als ein anonymer Hotelurlaub am Mittelmeer."

Auf acht Stunden Kinderanimation haben Kerstin, 38, und Jens Franke, 37, aus Niendorf auch keine Lust. "Ich möchte doch im Urlaub auch Zeit mit meiner Tochter verbringen und sie nicht in die Daueranimation stecken", sagt Soldat Jens Franke, der auf diesem Campingplatz groß geworden ist. Noch immer haben seine Eltern ihren Wohnwagen hier stehen, nur ein paar Buchstabenreihen weiter. Seine sechsjährige Tochter Joelle war mit drei Monaten zum ersten Mal im Campingurlaub.

"Mit Kind ist solch ein Urlaub praktisch. Die können allein draußen spielen, man muss sich keine Sorgen machen." Ihren Wohnwagen haben die Frankes ein bisschen umdekoriert, weg vom Gelsenkirchener Barock hin zum Surferambiente mit Bastmatten an der Vorzeltdecke und hawaiianischen Hibiskusblumen auf dem Wohnwagen. Drei Wochen lang werden sie hier trotz Regens ihren Haupturlaub verbringen. Auch außerhalb der Ferien kommen sie übers Wochenende an die See. "Man ist komplett weg und raus aus dem Alltag. Hamburg lassen wir hinter uns", so Franke. Der Niendorfer Nachbar Stefan Exner hat in derselben Reihe einen Wohnwagen stehen. Sein Sohn Phil, 5, ist der beste Kumpel von Joelle.

Und das Wetter? "Wenn es nicht gerade drei Wochen am Stück regnet, ist das nicht schlimm", sagt Jens Franke. Seine Tochter sei ohnehin fast immer draußen. Während Familien wie die Frankes immer häufiger Campingurlaub machen, geht die Zahl der Rentner-Camper laut BAT zurück. Diese Bevölkerungsgruppe, so Ulrich Reinhardt, sei reiseerfahren und anspruchsvoll. Da könnten viele deutsche Campingplätze mit ihrer spartanischen Einrichtung nicht mehr mithalten - "obwohl sich schon viele verjüngt und modernisiert haben".

Thomas Stieglitz, der den Platz in Dahme in dritter Generation führt, geht mit der Zeit. Bei ihm gibt es WLAN, Wasseranschluss auf den Parzellen, Kinderprogramm, Livemusik, und auch das Restaurant Deichgarten ist alles andere als eine Frittenbude. Eine Auswahl feiner Weine und Whisky steht in den Regalen. Auf der Speisekarte finden sich Seehecht und Buttermakrele. Ein Schwerpunkt ist die Vermietung von Mobilheimen mit eigenen Duschen und Toiletten. Stieglitz: "Die Camper wollen zurück in die Natur, aber bitte nicht zu Fuß." Zu unbequem darf das Outdoor-Vergnügen dann doch nicht sein.