Höchststrafe für Teenager-Mörder von Bodenfelde: Lebenslange Haft, Psychiatrie und Sicherungsverwahrung

Göttingen. Ein letztes Mal ist im Schwurgerichtssaal in Göttingen im Detail nachvollzogen worden, wie grausam die 14-jährige Nina und der 13-jährige Tobias in Bodenfelde umgebracht worden sind. Ein Urteil muss die Dinge beim Namen nennen, und so referiert der Vorsitzende Richter Ralf Günther, wie Jan O. das Mädchen tötet, sich an dem sterbenden Kind vergeht. Und wie er fünf Tage später Tobias ersticht, weil er fürchtet, sonst werde der erste Mord entdeckt. Der Ablauf der Taten ist für das Gericht bewiesen.

Das Urteil geht über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinaus: lebenslange Haft, Einweisung in die Psychiatrie, Sicherungsverwahrung.

"Mehr geht nicht", sagt sichtlich zufrieden nach der Verhandlung Inge Rutz vom Verein für Opferschutz. Und selbst Ninas Mutter, die meist still an der Seite ihres Anwalts den Prozess durchgestanden hat, wirkt deutlich erleichtert. Erstmals in den zwei Monaten Prozessdauer verlässt sie den Gerichtssaal leise lächelnd. Sie sei "sehr zufrieden", sagt sie.

Der Vorsitzende Richter hatte gleich zu Beginn der Urteilsverkündung von einem "Exzess der Gewalt" gesprochen und von einer "schier unvorstellbaren Dimension des Unrechts". Wohl als Trost für die Eltern der beiden Opfer verwies er noch auf den Obduktionsbericht: "Beide Kinder waren Gott sei Dank nach dem Würgen nicht mehr in der Lage, die Schmerzen zu spüren." Und so wie er gegenüber dem Angeklagten während des Prozesses stets betont ruhig aufgetreten ist, grenzte er das Schwurgericht sauber von jeder Zuspitzung ab: "Jan O. ist verurteilt worden, nicht weil er ein Monster ist, sondern weil er ein Mörder ist."

Auch an diesem letzten Prozesstag war dem Angeklagten keine Gefühlsregung anzumerken. Er sei, sagte später sein Anwalt, "betroffen" gewesen. Das dürfte sich vor allem darauf beziehen, dass das Gericht über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinausging. Diese hatte 15 Jahre für die beiden Morde gefordert, weil das Gesetz diese Zahl als Obergrenze vorsieht, wenn der Täter vermindert schuldfähig ist. Das Gericht aber ließ die schwere kombinierte Persönlichkeitsstörung nur für die Tötung von Nina gelten, als es Jan O. vor allem um sexuelle Befriedigung durch Kannibalismus und Vampirismus ging. Im Fall von Tobias dagegen war nach Einschätzung der Strafkammer Jan O. vor der Tat bewusst, dass er es nicht mit einem Mädchen, sondern einem Jungen zu tun hatte. Er habe "bilanzierend" den Schluss gezogen, er könne das Kind nicht laufen lassen, weil dies zur Entdeckung seiner ersten Straftat führen würde: "Er war in der Lage, die Situation abzuwägen." Und hat dann Tobias mit Messerstichen nur getötet, damit der vorangegangene Mord an Nina nicht herauskam. Die Leichen versteckte er in einem Waldstück am Ortsrand von Bodenfelde.

Das Gericht geht davon aus, dass der Hang des Doppelmörders zu schwersten sexuell motivierten Gewalttaten selbst bei einer erfolgreichen Therapie anderer Persönlichkeitsstörungen bestehen bleibt. Möglicherweise werde der drogen- und alkoholabhängige Angeklagte dann noch gefährlicher.

Ausdrücklich unter dem Eindruck der unvorstellbaren Brutalität der Taten hat das Schwurgericht in Göttingen unüblich schnell Recht gesprochen. Erst Mitte März ging die Anklage bei Gericht ein, bereits am 12. April begann die Hauptverhandlung mit einem Paukenschlag. Gleich am ersten Tag wurde das umfangreiche, 18 Seiten starke handschriftliche Geständnis von Jan O. verlesen.

Die Erinnerung aller Prozessbeteiligten an dieses Geständnis mit unsäglich vielen Grausamkeiten hat sich durch die Verhandlungen gezogen. Manchmal schien es, als verstecke sich der Vorsitzende Richter hinter verklausulierenden Anmerkungen. Zum Schluss aber wurde er deutlich. Jetzt ist klar, warum. Er räumte ein, die Kammer habe anfangs durchaus den Verdacht gehabt, der Angeklagte habe "die schier unglaublichen Handlungen nur nachträglich aufgepfropft, um eine verminderte Schuldfähigkeit vorzutäuschen". An 13 Verhandlungstagen habe sich dann aber gezeigt, dass das Geständnis weitestgehend zutreffend war.

Dass die Eltern von Tobias angesichts des Geschehens über die Todesstrafe nachgedacht haben, mochte der Richter nicht kritisieren: "Dafür muss man menschliches Verständnis haben." Aber er sagte auch: "Die Todesstrafe ist in deutschen Gerichtssälen kein Thema, und das ist auch gut so." Dann schaute er zum Angeklagten: "Der Anspruch auf Achtung seiner Menschenrechte ist nicht relativierbar."

Dazu gehört jetzt die Möglichkeit für Jan O., das Urteil anzufechten. Sein Pflichtverteidiger will das schriftliche Urteil abwarten und dann prüfen.

Der Bodenfelder Bürgermeister Hartmut Koch hofft, dass der Göttinger Richterspruch den Menschen vor Ort hilft, "einen Schlussstrich zu ziehen". Dies aber gilt ausdrücklich nicht für die eigene Strafanzeige gegen die Staatsanwaltschaft. Als Nina am 15. November vergangenen Jahres starb, war ihr Mörder nur deshalb auf freiem Fuß, weil die Staatsanwälte Tage zuvor die dringlich vorgetragene Bitte der Polizei abgelehnt hatten, gegen Jan O. wegen des Verdachts der Brandstiftung einen Haftbefehl zu beantragen.