Drei katholische Geistliche und ein evangelischer Pastor aus Lübeck wurden 1943 von den Nazis in Hamburg hingerichtet

Hamburg/Lübeck. In der Nacht zum Palmsonntag des Jahres 1942 erschütterte die britische Luftwaffe Lübeck mit einem Bombenhagel. Außer der Marienkirche wurden viele andere Gotteshäuser getroffen. Am Morgen nach dem Angriff stand der evangelische Pastor Karl Friedrich Stellbrink auf der Kanzel seiner Lutherkirche im Süden der Hansestadt. "Heute Nacht hat Gott mit mächtiger Stimme zu uns gesprochen", predigte er.

Karfreitag marschierte die Gestapo im Pfarrhaus ein. Nach Pastor Stellbrink wurden wenig später auch drei junge Geistliche der katholischen Gemeinde Herz Jesu in Lübeck verhaftet: der Adjunkt Eduard Müller, der Vikar Hermann Lange sowie der Kaplan Johannes Prassek. Jeder von ihnen hatte Predigten des Münsteraner Kardinals von Galen verbreitet, in denen die Ermordung behinderter und kranker Menschen gegeißelt wurde.

Am 22. und 23. Juni 1943 wurden die vier vom 2. Senat des Volksgerichtshofes zum Tode verurteilt. Die Vorwürfe: Hochverrat, Zersetzung der Wehrkraft und landesverräterische Feindbegünstigung. Am Abend des 10. November desselben Jahres wurde das Urteil in Hamburg vollstreckt. Im Abstand von jeweils drei Minuten sauste das Fallbeil im Zuchthaus am Holstenglacis viermal herab.

68 Jahre später wird der vier Lübecker Märtyrer an diesem Wochenende gedacht - in einmaligem Rahmen. Während die drei katholischen Geistlichen als erste ihrer Konfession in Norddeutschland selig gesprochen werden, wird dem Protestanten posthum ein ebenso ehrendes Andenken zuteil. "Bei dieser Zeremonie werden Glaubenszeugen als Vorbilder herausgestellt, deren Leben und Sterben beispielhaften Charakter hat", sagte Erzbischof Werner Thissen dem Abendblatt. Mit den Kardinälen Angelo Amato und Walter Kasper feiert Thissen an diesem Sonnabend ein Pontifikalamt vor der Lübecker Propsteikirche Herz Jesu. Mehr als 20 katholische und evangelische Bischöfe nehmen daran teil. Erwartet werden mehrere Tausend Gläubige, darunter die Teilnehmer einer Fahrradwallfahrt, die Freitag früh vor der Hauptkirche St. Trinitatis in Hamburg-Altona gestartet sind.

Schon vorher erinnerte Erzbischof Thissen an Adolf Ehrtmann, einen jener 18 katholischen Laien, die von den Nazis zusammen mit dem später enthaupteten Quartett verhaftet worden waren. "Sag niemals drei, sag immer vier!", hatte Ehrtmann gefordert. Damit wollte er klarmachen, dass es in grundsätzlichen Glaubensfragen, bei Recht oder Unrecht keinen Unterschied zwischen den Konfessionen geben dürfe.

Ebenso sieht es Thissen heute. "Wir wollen das Fest in guter ökumenischer Gemeinsamkeit begehen", sagte er. Zwar kenne die evangelische Kirche keine Seligsprechung, jedoch ein ehrendes Gedenken. "Ich unternehme alles, damit wir noch mehr zusammenkommen", sagte der Erzbischof. Mit Kardinal Kasper komme der langjährige Ökumenebeauftragte des Papstes nach Lübeck, der in der katholische Welt für die Annäherung der beiden Kirchen stehe.

Den feierlichen Akt hatte Thissen bereits im März 2004 in Gang gesetzt. Damals begann das Verfahren mit der Versendung einer offiziellen Bittschrift und der Vereidigung des mit dem Antrag aus Hamburg befassten Gerichtshofes. Archive wurden durchgeforstet, die schriftlichen Äußerungen der umgebrachten Kapläne gesichtet. Ziel war die Beweisführung, dass die drei Katholiken wegen ihres Glaubens gestorben seien. Im Anschluss an diese Recherchen wurde die 2110 Seiten umfassende "Akte Lübecker Märtyrer" der Kongregation für Selig- und Heiligsprechungen in Rom übergeben. Nach dem positiven Bescheid der Vollversammlung stimmte am 1. Juli vergangenen Jahres auch Papst Benedikt XVI. zu.

Parallel wurden weitere Maßnahmen initiiert, die Morde vom 10. November 1943 niemals in Vergessenheit geraten zu lassen. In Barmbek wurde gerade eine 22 000 Quadratmeter große Grünanlage auf den Namen Johannes-Prassek-Park getauft.

Schon seit 1970 hängt an der Mauer des heutigen Untersuchungsgefängnisses am Holstenglacis eine Gedenktafel. Diese Haftanstalt "Hamburg Stadt", so die Bezeichnung während der Nazizeit, war eine der zentralen Hinrichtungsstätten der nationalsozialistischen Justiz in Norddeutschland.

In den Bibeln Müllers und Prasseks wurden nach der Enthauptung die letzten Worte gefunden, die beide unabhängig voneinander, indes gleichlautend niedergeschrieben hatten: "Heute wurde ich zum Tode verurteilt - sit nomen domini benedictum". Der Name des Herrn sei gepriesen.