An der traditionellen Windjammerparade der Kieler Woche darf die “Gorch Fock“ nicht teilnehmen. Entscheidung wird zum Reizthema.

Kiel. Es ist ein Spektakel der Superlative: 2000 Veranstaltungen stehen auf dem Programm, drei Millionen Besucher werden erwartet, 5000 Sportler haben sich zu den Segelregatten angemeldet - am Sonnabend hat der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) die 117. Kieler Woche eröffnet. "Von 52 Wochen im Jahr ist die Kieler Woche für viele mit Abstand die schönste", sagte Carstensen. Doch die Entscheidung, die "Gorch Fock" nicht an der Windjammerparade am kommenden Sonnabend teilnehmen zu lassen, überschattet die Großveranstaltung und spaltet die Meinungen der Besucher.

"Das ist ein reines Politikum", sagt Petra Pfeiffer. "Das ist Blödsinn, einfach nur eine Frechheit." Die Entscheidung, das Segelschulschiff "Gorch Fock" nicht bei der Windjammerparade der Kieler Woche mitfahren zu lassen, kann die leidenschaftliche Seglerin nicht verstehen. "Die Bevölkerung hat mal wieder niemand gefragt", sagt sie.

So aufgebracht wie Petra Pfeiffer sind nicht alle. Aber dennoch vertreten viele Besucher bei den "Open -Ship"-Tagen der Kieler Woche die gleiche Meinung. Fast 3000 Menschen sind allein am Sonnabend gekommen, um das Segelschiff am Marinestützpunkt zu besichtigen - es ist der erste öffentliche Auftritt der "Gorch Fock" nach der Affäre um den Tod einer jungen Kadettin. Vor allem die Art und Weise, wie in den vergangenen Monaten in der Öffentlichkeit mit dem Traditionssegler umgegangen wurde, stört viele. "So ein Unfall kann immer passieren, darüber ist viel zu viel geredet worden", sagt ein älterer Mann.

Im vergangenen November war die Kadettin aus der Takelage des Segelschulschiffs gestürzt und ums Leben gekommen. Seitdem gerät die Bark immer wieder in die Schlagzeilen. Die Staatsanwaltschaft gab zwar bekannt, dass es keine strafrechtlichen Konsequenzen geben wird - aber die Affäre ist damit noch nicht vollständig aufgeklärt. Bis das der Fall ist, muss der Dreimaster am Kai bleiben. An der Windjammerparade der Kieler Woche, die die "Gorch Fock" traditionell anführt, darf sie deshalb in diesem Jahr nicht teilnehmen. Der Parade fehlt damit das traditionelle Flaggschiff, zum vierten Mal in den vergangenen zehn Jahren.

Bei der Besatzung des Traditionsseglers ist die Stimmung während der Zwangspause gemischt. "Ich wäre schon gerne gefahren. Die 'Gorch Fock' gibt bei der Parade immer ein schönes Bild ab", sagt Michael Schwicke, der die letzten 20 Monate auf dem Schiff verbracht hat. Ein Marineoffizier glaubt: "Die Besatzung genießt es sicherlich auch, sich an der Kieler Woche beteiligen zu können, ohne segeln zu müssen. Letzteres ist nämlich harte Arbeit."

Die Bordkameradschaft ehemalige Stammbesatzung Segelschulschiff "Gorch Fock", ein Zusammenschluss früherer Besatzungsmitglieder, hat in einem offenen Brief darum gebeten, die "Gorch Fock" die Parade anführen zu lassen. "Wir können einfach nicht nachvollziehen, auf was man noch wartet", sagt Schriftführer Hermann Dirkes.

Einige Besucher auf der "Gorch Fock" finden die Entscheidung, die Bark im Hafen zu lassen, aber auch völlig in Ordnung. "Das ist schade, aber das muss man verstehen", sagt Uwe Frey. "Einmal darf man das ruhig so machen. Hauptsache, sie fährt nächstes Jahr wieder mit." Und auch Karin und Rudi Haß aus dem westfälischen Hagen, die an diesem Tag den Segler besichtigen, sehen das ähnlich. "Es ist zwar schade, aber auf der anderen Seite kann man das auch verstehen."

Wenige Kilometer vom Marinestützpunkt und der "Gorch Fock" entfernt macht seit Freitagmittag die "Alexander von Humboldt" fest. Das Schiff mit den charakteristischen grünen Segeln wird die "Gorch Fock" vertreten und die Windjammerparade anführen. Im September endet die Karriere des Großseglers nach mehr als 500.000 Seemeilen - sein Nachfolger, die "Alex II", ist schon gebaut. "Für uns ist es eine besondere Ehre, bei unserem letzten Besuch in Kiel das Führungsschiff zu sein", betont Kapitän Peter Burhorn. Für den Umgang mit der Affäre rund um die "Gorch Fock" in den letzten Monaten hat aber auch er kein Verständnis. "Wir fühlen mit der 'Gorch Fock'", so Burhorn. "Wer vom Segeln Ahnung hat, der versteht, dass es nicht korrekt war."

Die "Gorch Fock" ist das älteste Schiff der Deutschen Marine. Es gilt als Botschafter Deutschlands auf den Weltmeeren. Für viele Kieler ist es eine Herzensangelegenheit, dass "ihre" "Gorch Fock" bei der Parade dabei ist - umso größer ist die Enttäuschung in diesem Jahr. "Die 'Gorch Fock' ist auf der ganzen Welt gern gesehen und ein beliebtes Schiff", meint Petra Pfeiffer. "Ohne dieses Schiff fehlt bei der Parade einfach etwas."