Die Staatsanwaltschaft stellt ihre Ermittlungen nach dem Todessturz der jungen Kadettin Sarah Lena S. ein: Es war ein tragischer Unglücksfall.

Kiel. Die Segelschulbark "Gorch Fock" hat auf der Fahrt in eine sichere Zukunft die schwerste Klippe umschifft. Sieben Monate nach dem Tod der Offiziersanwärterin Sarah Lena S. stellte die Staatsanwaltschaft Kiel das Ermittlungsverfahren ein. Es gebe keine Anhaltspunkte für ein strafrechtliches Fehlverhalten von Schiffsführung, Besatzung oder Marine, sagte Oberstaatsanwältin Birgit Hess. Der Sturz der 25-jährigen Frau aus der Takelage war demnach ein Unglücksfall.

Die Ermittler übten zugleich Kritik an der Ausbildung auf dem Segelschulschiff, das im Januar vom damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) in seinen Heimathafen Kiel zurückbeordert worden war.

Mit dem Bericht der Staatsanwaltschaft sind die monatelangen Untersuchungen zum Unglückstörn des Schiffes fast abgeschlossen. Nach Angaben der Marine wird noch im Juni das letzte Prüfergebnis erwartet, eine Einschätzung der Havariekommission. Fällt auch sie positiv aus, könnte die "Gorch Fock" in einigen Monaten wieder auslaufen, möglicherweise unter Führung des suspendierten Kommandanten Norbert Schatz. Das letzte Wort hat allerdings die Politik. Bei der Marine wird damit gerechnet, dass der Verteidigungsausschuss des Bundestages nach dem Sommer für den Erhalt des Traditionsschiffes stimmt.

Die Staatsanwaltschaft räumt in ihrem Bericht mehrere schwere Vorwürfe gegen die Besatzung aus, etwa den, dass die Offiziersanwärter gleich nach ihrer Ankunft im brasilianischen Hafen Salvador de Bahia bis zur Erschöpfung in der Takelage klettern mussten. Tatsache ist: Die Kadetten, die am 5. November 2010 an Bord eintrafen, wurden am Folgetag zunächst eingewiesen, begannen erst am 7. November wegen der erwarteten Mittagshitze morgens um 6.30 Uhr mit den Enterübungen.

Zunächst lief alles problemlos. Sarah Lena S. kletterte wie 38 Mitkadetten mindestens zweimal auf die Marssaling, eine Plattform, die am Großtopp zwölf Meter über Deck angebracht ist. Nach einer Pause übten die Offiziersanwärter das Auf- und Abentern zur Bramsaling in 27 Meter Höhe. Hilfe in der Takelage bekamen sie von 20 Ausbildern aus der Stammbesatzung.

Nach der nächsten Übung, dem Umsteigen vom Mast auf die Rahen, fühlte Sarah Lena S. sich schwach. Bei einer Pause an Deck erzählte sie Kameraden von einem "Kraftloch". Einem Ausbilder sagte sie davon laut Staatsanwaltschaft nichts.

Die Kadettin enterte ein letztes Mal auf, schlug offenbar die Order eines besorgten Ausbilders in den Wind, sich zwischen Mars- und Bramsaling "einzupicken" (abzusichern) und stürzte beim Abstieg um 10.27 Uhr aus etwa 27 Metern aufs Deck. Kurz vor Mitternacht erlag sie im Krankenhaus ihren schweren Verletzungen. Die genaue Unglücksursache konnte die Staatsanwaltschaft nicht feststellen. Einiges spricht demnach für einen "Erschöpfungszustand" der Kadettin. Möglicherweise enterte sie aber auch zu schnell ab und rutschte aus.

Klar ist für die Staatsanwaltschaft, dass Sarah Lena S. diensttauglich war, also keinesfalls übergewichtig, und vor den Übungen an dem technisch einwandfreien Großtopp ordentlich eingewiesen wurde. Die Ermittler weisen allerdings darauf hin, dass die Segelausbildung auf der "Gorch Fock" in nur zehn Tagen abgeschlossen sein soll und die Ausbildungszeit damit "äußerst knapp bemessen" ist. Zudem gebe es trotz einer Vielzahl von Vorschriften und Befehlen "unzureichende" Regelungen für die ersten Tage an Bord.

Der Anwalt der Opferfamilie, Thomas Kock, weist auf solche Versäumnisse hin. Er kündigte zivilrechtliche Schritte gegen die Marine an. "Die Mutter von Sarah Lena S. wird ihre Ansprüche geltend machen." Gemeint sind Schadenersatz und Schmerzensgeld.