Minister Gert Lindemann will unter anderem Bau neuer Großmastanlagen verhindern

Hannover. Jahrzehnte hat Niedersachsen auf den ungebremsten Ausbau der Landwirtschaft gesetzt, jetzt leitet der neue Landwirtschaftsminister Gert Lindemann (CDU) einen vorsichtigen Kurswechsel ein. Im Gespräch mit dem Abendblatt kündigt er Einschränkungen für die Agrarindustrie in Problemregionen an. Für sie soll künftig das Bauprivileg eingeschränkt werden. Das heißt: Die Unternehmen dürfen nicht mehr ungebremst und unkontrolliert Gebäude errichten. Gegen den Trend zu Monokulturen - die "Vermassung" ganzer Landstriche - wegen des Futterbedarfs für die stark wachsende Viehwirtschaft sowie für Biogasanlagen setzt Lindemann auf unverhohlenen Druck: Wer die Fruchtfolge nicht einhält, dem will er Subventionen streichen, der Neubau von Biogasanlagen soll durch neue gesetzliche Auflagen gebremst werden.

312 000 Einwohner, aber über 33 Millionen Stück Federvieh, gibt es im Landkreis Emsland, im benachbarten Kreis Cloppenburg kommen auf 157 000 Einwohner mehr als 1,6 Millionen Schweine. "Hier werden die Grenzen der Akzeptanz erreicht und überschritten", beschreibt Lindemann die Situation in Teilen der Region Weser/Ems, die gerne als Deutschlands Fleischtopf tituliert wird. Derzeit versuchen sich die Landkreise gegen neue Großställe mit Auflagen etwa für mehr Brandschutz oder die Reduzierung von Geruchsbelästigung zu wehren. Nun arbeitet das Ministerium an einer Initiative für die Änderung des Baugesetzbuchs. Eingeführt werden soll eine Obergrenze für den Viehbesatz. Wo die überschritten wird, sollen Kreis- und Gemeindetage großgewerbliche Ansiedlungen verhindern können.

Im Landkreis Diepholz etwa plant ein Bauer eine Stallanlage für 3200 Milchkühe. Lindemann, von der Opposition als Lobbyist für die Agrarindustrie kritisiert, grenzt sich von solchen Projekten deutlich ab: "Das ist eine Dimension, die mit bäuerlicher Landwirtschaft nichts mehr zu tun hat." Die Grenze zwischen bäuerlicher Landwirtschaft und Agrarfabriken zieht er deutlich: "Großgewerbe beginnt für mich bei neuen Ställen mit 40 000 Stück Federvieh, 2000 Mastschweinen oder 800 Kühen."

Durch den andauernden Boom der Landwirtschaft gibt es in der Region Weser/Ems in weiten Teilen annähernd Vollbeschäftigung mit Arbeitslosenquoten unter fünf Prozent. Aber die Region Weser-Ems hat auch große Probleme mit der hohen Viehdichte: die Zunahme von Monokulturen mit Mais als Futter für die Tierproduktion und Rohstoff für die aus dem Boden schießenden Biogasanlagen. Lindemann plädiert deshalb für eine schnelle Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG): "Hier gibt es akuten Handlungsbedarf, um die Beschickung der Anlagen mit Mais einzuschränken."

Damit nicht genug, Lindemann will außerdem die Förderung für Biogasanlagen ohne Kraftwärmekopplung drosseln: "So können wir steuern, dass die Biogasanlagen sich über die Regionen vernünftiger verteilen." Aber selbst das reicht dem Minister nicht aus: "Ein Landwirt, der permanent Mais anbaut, betreibt keine ordnungsgemäße Landwirtschaft mehr - es fehlt die Fruchtfolge." Genau an diese "gute fachliche Praxis" aber sind die Direktzahlungen der EU für die Bauern gebunden. Hier will Lindemann ansetzen: "Es muss zu erheblichen Kürzungen der Direktzahlungen kommen, und bei derzeit über 300 Euro je Hektar sind solche Kürzungen geeignet, die Vorteile aus der Biogasanlage und der ausgedehnten Tierhaltung gegen null zu drücken."

Dass sich in der Region Weser-Ems Widerstand gegen neue Agrarfabriken regt, kann Lindemann "gut verstehen". Aber kein Verständnis hat er für die Proteste gegen den Bau eines Großschlachthofs in Wietze bei Celle und den Versuch, dort Bauern als Lohnmäster zu gewinnen: "Dieses Projekt entsteht in einer Region mit sehr geringer Nutztierhaltung, hier halte ich neue Ställe für verträglich und sogar wünschenswert." Deutschland importiere immer noch in großem Maßstab Geflügel, diese Wertschöpfung sollte hier stattfinden: "In Regionen, in denen derzeit der Ackerbau eindeutig dominiert, ist das eigentlich nur eine Rückkehr zu den Wurzeln der Landwirtschaft mit Ackerbau und Nutztierhaltung."

Weltweit steigt die Nachfrage nach Nahrungsmitteln, Niedersachsen wird davon nach Einschätzung von Lindemann profitieren: "Unsere Landwirtschaft geht guten Zeiten entgegen, aber muss sich auch auf stark schwankende Preise und veränderte Fördermechanismen einstellen." Die Bedeutung der Branche werde aber sogar noch größer werden. "Der Anteil der Landwirtschaft an der Wertschöpfung in Niedersachsen wird weiter wachsen." Kurz vor Ostern hatte Lindemann bereits einen neuen Tierschutzplan angekündigt.