Die Polizei vermutet hinter der Bluttat von Stade ein Beziehungsdrama. Die Leichenteile hatte die Ehefrau im Keller des Hauses versteckt.

Stade. Es ist eine Tat, die Anwohner und Polizisten schockiert hat: Vermutlich in der Nacht zu Dienstag hat eine 65 Jahre alte aus Russland stammende Frau in Stade ihren 71-jährigen Ehemann erschlagen und grausam zugerichtet. Nach Angaben der Polizei hat die Frau den Leichnam ihres Ehemannes in Plastiksäcke verpackt und diese in den zu ihrer Wohnung gehörenden Keller transportiert.

Laut Obduktionergebnissen ist der Mann aus Stade vermutlich an einem Schädelhirntrauma gestorben. Die Ehefrau habe ihn wahrscheinlich mit einem stumpfen Gegenstand gegen den Kopf geschlagen. Aufgrund des Zustands der verstümmelten Leiche könne dies aber nicht mehr mit abschließender Gewissheit festgestellt werden, sagte der Sprecher der Stader Staatsanwaltschaft, Kai Thomas Breas, am Donnerstag. Die Fahnder hätten sieben Säcke mit Leichenteilen sichergestellt

Die Beamten der Stader Polizei wurden am Dienstagabend von einer Verwandten des Ehepaares alarmiert. Die Frau hatte die Täterin aus Anlass des Weltfrauentages besucht. Als die beiden zusammensaßen, vertraute sich die 65-Jährige ihrer Verwandten an und berichtete ihr von der Tat. Die daraufhin alarmierten Kriminalbeamten fanden im Keller des Mehrfamilienhauses die Leichenteile des Opfers. Die 65-Jährige ließ sich widerstandslos in ihrer Wohnung festnehmen. Sie wurde noch in der Nacht von der Polizei vernommen und hat gestanden.

Rechtsmediziner und die Spurensicherung machten sich am Dienstagabend und gestern am Ort des Geschehens ein Bild von der blutigen Tat. Die Leichenteile sind inzwischen nach Hamburg in die Pathologie gebracht worden. Dort werden sie von Gerichtsmedizinern eingehend untersucht, um weitere Erkenntnisse zum Tathergang zu erlangen.

Es ist eine grausame Tat, die selbst die hartgesottenen Ermittler der Kriminalpolizei und der Spurensicherung nicht unberührt lässt. "Das ist schon schwer zu glauben, was hier geschehen ist", sagt ein Kriminalbeamter vor Ort. Und es ist eine Tat, die sich die Nachbarn nicht erklären können. Der Schock sitzt tief in dem Viertel.

Das Ehepaar war in dem Haus, in dem vier weitere Familien wohnen, bisher nie sonderlich aufgefallen. Beide stammen aus Russland. Seit mehr als 20 Jahren lebten sie in Deutschland. "Ich wohne seit drei Jahren direkt über dem Ehepaar. Es war dort immer sehr still, ich habe nie einen Streit bei denen mitbekommen", sagt eine junge Mutter. Und dennoch handle es sich laut Aussage des Stader Polizeisprechers Rainer Bohmbach wahrscheinlich um ein Beziehungsdrama.

Die Kinder, die im Haus wohnen, hätten zuweilen vergnügt mit der Russin vor dem Haus in dem kleinen Garten gespielt. Der Ehemann der 65-Jährigen habe sich nur sehr selten blicken lassen und wenn, dann nur, um kurz einen guten Tag zu wünschen. "Die haben sehr zurückgezogen gelebt und sind fast nur zum Rauchen vor die Tür gekommen. Die Fenster waren praktisch immer verschlossen und mit Gardinen zugehängt", sagt eine andere Nachbarin. Alle dachten, die beiden seien harmlos - bis die Kriminalpolizei an den Türen der Nachbarfamilien klingelte.

"Wir haben am Montagabend nur ein dumpfes Geräusch wie einen Schlag aus der Wohnung der Familie gehört, wir haben uns aber dabei zunächst nichts gedacht", sagt die junge Mutter. Es hätte ja auch etwas in der Wohnung umgefallen sein können.

Am Dienstagmorgen wunderten sich die Nachbarn dann, dass es im Treppenaufgang des Mehrfamilienhauses sehr stark nach Chlor roch. Anscheinend wollte die Frau die blutigen Spuren ihrer Tat noch rechtzeitig entfernen, bevor ihre Verwandte zu Besuch eintraf.

Eine Anwohnerin sagt, sie habe gesehen, wie die 65-Jährige frühmorgens einen großen, schweren Teppich in Richtung Mülltonne zog. "Das kam uns schon komisch vor, alleine einen derart großen und schweren Teppich herumzuschleppen", so die Mutter. Dass die Russin auf dem Weg zu den Mülltonnen, die gleich neben dem Kellereingang stehen, über ihre Winterstiefel weiße Pantoffeln oder weiße Socken gezogen hatte, verwunderte die Anwohner dann vollends. Sie ahnten, dass gerade irgendetwas Ungewöhnliches vor sich ging. Als dann die Polizei am Dienstagabend mit ihren Ermittlungen begann, war die Bestürzung in dem Fünffamilienhaus groß. "Man glaubt immer, dass solche Taten nur im Fernsehen oder irgendwo anders, weit entfernt, geschehen. Aber es ist direkt neben uns passiert. Das ist so irreal", sagt die junge Mutter.

Die 65-jährige Staderin wurde von der Polizei inzwischen dem zuständigen Haftrichter vorgeführt. Der erließ Haftbefehl wegen Totschlags. Die Frau sitzt in Untersuchungshaft. Zum Motiv und den genaueren Tatumständen können derzeit noch keine weiteren Angaben gemacht werden. Erste Ergebnisse der Untersuchungen erwartet die Kriminalpolizei nicht vor Ende der Woche. Auch zu der oder den Tatwaffen will die Polizei aus ermittlungstechnischen Gründen derzeit nichts sagen.