Die Staatsanwaltschaft prüft, ob der 77-jährige Hausbesitzer in Notwehr handelte, als er mit seiner Pistole auf eine Räuberbande schoss.

Sittensen. Die fünf maskierten Männer kamen in der Dunkelheit. Nur die dichte Schneedecke leuchtete matt, als sie den 77-Jährigen auf dem Weg zum Hundezwinger abfingen und in seine Villa am Rande der 5500 Einwohner große Samtgemeinde Sittensen drängten. Minuten später hallte ein Schuss über das weiträumige Anwesen am Appeler Weg. Im gleichen Moment brach ein 16-Jähriger auf der Veranda des schmucken Reetdachhauses zusammen. Für den jungen Räuber kam jede Hilfe zu spät.

Seit dem missglückten Raubüberfall ermitteln die Polizei in Rotenburg und die Staatsanwaltschaft in Stade nicht nur gegen die fünf Täter. Sie werden in den kommenden Tagen auch klären müssen, ob der 77-Jährige in Notwehr und angemessen reagierte. Die bereits angeordnete Obduktion des Erschossenen soll dazu weitere Erkenntnisse bringen. Gleichzeitig soll sie jegliche Zweifel an der Identität des Toten beseitigen: Dennoch ist sich die Polizei relativ sicher, dass es sich bei ihm um einen jungen albanischstämmigen Intensivtäter aus Neumünster handelt.

Ernst B., ein in Sittensen verwurzelter und wohlhabender Rentner, der allein in dem abgelegenen Anwesen am Waldrand wohnt, wird derzeit von der Polizei betreut. Der Millionär erlitt bei der Tat einen Schock, machte bei seiner Aussage allerdings einen gefassten Eindruck. Möglicherweise hielten ihn die fünf für ein leichtes Opfer. Was sie wohl nicht wussten, war, dass der Rentner einen Jagdschein besaß und mehrere Waffen im Haus hatte. Eine Pistole soll er zudem in seinem Wohnzimmer deponiert haben, nachdem er am Montag von dem Raubmord an einem 50-Jährigen im nur 50 Kilometer entfernten Oldenfelde erfahren hatte.

Wie er den Ermittlern bei seiner Vernehmung erklärte, hatten ihn die fünf teils mit Sturmhauben, teils mit ins Gesicht gezogenen Kapuzen maskierten Männer aus dem Garten in sein Wohnzimmer gedrängt. Während mehrere Männer begannen, das Haus zu durchsuchen, sei mindestens einer der Täter an seiner Seite geblieben und habe ihn bewacht. Sowohl in seinem Nacken als auch an seinem Kopf habe er "Gegenstände" gespürt, gab der 77-Jährige später zu Protokoll. Möglicherweise die Mündungen von Pistolen.

Der Überfall beginnt zunächst ganz nach den Vorstellungen der Räuber. Sie nehmen Ernst B. die Geldbörse weg, entdecken im Obergeschoss der Villa einen Tresor. Doch noch bevor sie den Geldschrank öffnen können, löst die Sicherheitsanlage, die auch auf Bewegungen programmiert ist, Alarm aus. Eine Sirene beginnt ohrenbetäubend zu dröhnen, der optische Alarm springt an. Die fünf Männer geraten in Panik. Rennen aus dem Haus.

Es habe vermutlich absolutes "Tohuwabohu" geherrscht, erklärte Staatsanwalt Kai-Thomas Breas, Sprecher der Staatsanwaltschaft in Stade, am Montag auf Nachfrage. Der Rentner nutzt die Chance und die fehlende Bewachung, nimmt seine Pistole. Ersten Erkenntnissen zufolge zielt er auf einen der Flüchtenden und drückt ab.

Die restlichen Männer kümmern sich nicht um den leblosen 16-Jährigen. Sie springen vermutlich in ein an einer nahen Scheune geparktes Auto und rasen davon. Die Spuren auf der schneebedeckten Landstraße verraten, dass sie mit hoher Geschwindigkeit flüchten. Und sie bleiben von der Nacht verschluckt: Obwohl die Polizei einen Hubschrauber mit Wärmebildkamera und mehrere Spürhunde in den Einsatz schickt, fehlt bislang von den Männern jede Spur.

Die Kriminalpolizei hofft jetzt auf die Hilfe von Augenzeugen: Wer am Montagabend in Sittensen, insbesondere in Tatortnähe, ein mit mehreren Personen besetztes Auto gesehen hat, möchte sich unter Tel. 04261/9470 bei der Polizei in Rotenburg melden.