Trauerfeier in Bodenfelde. Nach dem Doppelmord gesteht der 26-jährige Jan O. die Taten umfassend und “schämt sich“.

Northeim/Bodenfelde. Heute wird Tobias beerdigt. Am Freitag ist die 14-jährige Nina in Bodenfelde beerdigt worden. Während Hunderte von Menschen den Weg von der Kirche zum Friedhof säumten, hat der 26-jährige Jan O. in der Kreisstadt Northeim zeitgleich umfassend gestanden, Nina und den 13-jährigen Tobias ermordet zu haben. Am gleichen Tag bestätigte die Staatsanwaltschaft Lüneburg, dass der geständige Täter wegen seiner Alkoholprobleme unmittelbar vor der erneuten Einweisung in eine Entziehungsklinik gestanden habe, als er am Montag vergangener Woche in Bodenfelde erst Nina und dann am Sonnabend Tobias tötete.

Vier Tage nach seiner Festnahme hat der Mann laut Staatsanwaltschaft die Taten "in vollem Umfang eingeräumt". So will er das Mädchen gegen 19 Uhr zufällig getroffen haben, schon eine Stunde später war Nina tot. Laut Staatsanwaltschaft hat Jan O. angegeben, er habe bei Nina "sexuelle Absichten" gehabt und sie habe ihn abgewiesen. Er brachte sie daraufhin mit Gewalt zum späteren Tatort, einer Fichtenschonung kaum 100 Meter vom Elternhaus des jungen Mädchens entfernt. Dort habe er, so die Mitteilung der Staatsanwaltschaft, "ihr auf den Kopf geschlagen und mit einem spitzen Gegenstand auf sie eingewirkt". Fünf Tage später kam der alkoholkranke Mann wieder von seinem Wohnort Uslar nach Bodenfelde, eine Jugendliche ließ ihn dort am frühen Abend abblitzen. Danach traf er laut Staatsanwaltschaft Tobias ebenfalls zufällig im Tatortbereich an - wie fünf Tage zuvor Nina. "Er hat sich entdeckt gefühlt und auch den Jungen festgehalten und ihn in Richtung des späteren Tatorts gebracht. Dort will er den Jungen durch Einwirkung mit scharfer Gewalt gegen den Hals getötet haben". Weitere Einzelheiten wollte die Staatsanwaltschaft aus "ermittlungstaktischen Gründen" nicht mitteilen. Neben dem umfassenden Geständnis verfügt die Polizei aber inzwischen über neues belastbares Beweismaterial. Die DNS-Analysen haben ergeben, dass auf einem Kleidungsstück des Tatverdächtigen Blut von Tobias haftet.

Markus Richter, der Anwalt des Tatverdächtigen, sagte am Freitag nach der Vernehmung, sein Mandant sei sich "der Tat bewusst". Er empfinde "Scham für seine Taten". Der Anwalt will nun erreichen, dass das Mordmerkmal der Mordlust, wie sie im Haftbefehl steht, gestrichen wird. Aber auch die Befriedigung des Geschlechtstriebs und die Verdeckung einer vorangegangenen Straftat sind klassische Mordmerkmale. Zumal Jan O. nach eigenen Worten Tobias tötete, weil er sich entdeckt fühlte in der Nähe des Ortes, wo Nina seit ihrem Tod fünf Tage zuvor bereits lag.

Dass die Polizei nach ihr nicht intensiver suchte, als Tobias noch lebte, rechtfertigen die Beamten mit der Tatsache, dass das Mädchen nach einem Streit zu Hause ausgerissen war - wie schon mehrfach zuvor. Zudem habe es im Laufe der Woche Zeugenaussagen gegeben, wonach das Mädchen gesehen worden war: "Wir haben ein Mädchen gesucht, das von zu Hause weggelaufen und aus freien Stücken untergetaucht ist."

Am Freitag stellte sich nun heraus, dass mit etwas Glück sogar beide Morde hätten verhindert werden können. Die Staatsanwaltschaft Lüneburg nämlich hatte bereits beschlossen, die Bewährung für Jan O. wegen seines Alkoholrückfalls und des konkreten Verdachts, er habe ein Feuer gelegt, zu widerrufen. Nichts aber habe in diesem Zusammenhang, so die Sprecherin der Behörde, auf eine Eskalation der Gewalt schließen lassen.

Tobias zumindest musste auch deshalb sterben, weil eine eindeutige Warnung im Internet nicht entdeckt wurde. Nach Ninas Ermordung prahlte Jan O. mit seiner Tat. Auf seine Facebook-Seite schrieb er: "Gestern Mädchen geschlachtet. Jeden Tag eins bis mich erwischen." Die Seite ist inzwischen gesperrt, dient der Polizei als Beweis.

Mehr als 500 Menschen haben am Freitag in Bodenfelde an der kirchlichen Trauerfeier für Nina teilgenommen, darunter viele Mitschüler. Ein Mädchen hielt ein Plakat mit der Aufschrift: "Nina, wir vergessen dich nie." Pfarrer Marc Trebing: "Wir stehen völlig hilflos, verzweifelt und sprachlos vor der grausamen Tat. Ein Mensch hat Ninas Leben zerstört und unser Leben tief getroffen."

In dem 2000-Seelen-Dorf ist überall zu spüren, wie sehr das Geschehen die Menschen getroffen hat. Bürgermeister Hartmut Koch sagt: "Eine solche Tat kann man nicht einfach so wegwischen." Doch die Festnahme des mutmaßlichen Täters hat den Bodenfeldern immerhin die Angst vor weiteren Morden genommen. Das Geständnis hat nun letzte Zweifel beseitigt, ob der Richtige hinter Gittern sitzt.