Jan O. schrieb, er habe ein “Mädchen geschlachtet“. Polizei ist sicher, er hätte weiter gemordet

Northeim/Hannover. Der 26-jährige Jan O. hat vor der Ermordung des 13-jährigen Tobias und der 14-jährigen Nina in Bodenfelde nicht nur per Internet Kontakt zu kleinen Mädchen gesucht, er hat in einem Internetportal ganz offenkundig nach dem ersten Mord geprahlt: "Gestern Mädchen geschlachtet. Jeden Tag eins bis sie mich erwischen." Die entsprechende Seite ist inzwischen gesperrt, die Polizei hielt sich gestern bedeckt: "Ich möchte das weder bestätigen noch dementieren, wir möchten bestimmte Dinge von ihm selbst hören." Am heutigen Freitag, so hat es der Anwalt des dringend Tatverdächtigen angekündigt, wird sein Mandant eine Aussage machen.

Das Landeskriminalamt in Niedersachsen beobachtet seit vier Jahren auch ohne besonderen Anlass das Internet auf "strafrechtlich relevante Inhalte". Dafür wurde damals ein eigenes Fachdezernat eingerichtet. LKA-Sprecher Frank Federau machte aber gestern auf Abendblatt-Anfrage auch klar, dass diese Beobachtung durch ein siebenköpfiges Team Grenzen hat: "Eine ständige Beobachtung aller Internetseiten ist nicht möglich, wir sind bei angedrohten Straftaten wie Amokläufen meist auf Hinweise aus der Bevölkerung angewiesen." Und noch einen Rat hat er: "Eltern sollten ihren Kindern am Computer, etwa beim Chatten, mal über die Schultern schauen."

Der 26-jährige Tatverdächtige Jan O. hat seit vielen Jahren Alkohol- und Drogenprobleme. Der aus Uelzen stammende ehemalige Sonderschüler ist wegen Diebstählen vorbestraft, kam auf dem Umweg über eine Drogentherapie vor Jahren nach Uslar, Nachbarort von Bodenfelde. Ein typischer Verlierer, arbeitslos, von dem der Kriminologe Prof. Christian Pfeiffer vermutet, er könne getötet haben, um endlich selbst einmal Macht auszuüben. Der Kripo-Chef der ermittelnden Polizeiinspektion Northeim, Andreas Borchert, bescheinigt dem in Untersuchungshaft sitzenden 26-Jährigen "Potenzial zum Serienmörder". Wäre er nicht am Montag gefasst worden, hätte es vermutlich weitere Todesopfer gegeben. "Es deutet alles darauf hin, dass er weitergemacht hätte", sagt Borchert. Dazu würde auch die Ankündigung im Internet passen, weitere Mädchen umzubringen.

Meistens haben es Serientäter aber nur auf Kinder eines Geschlechts abgesehen. Dass nach Nina am Montag vergangener Woche Tobias am Sonnabend sterben musste, könnte laut Borchert an einer Verwechselung liegen. Tobias hat weiche Gesichtszüge und lange Haare. Offen ist auch noch die Frage, ob die Ermordung von Tobias hätte verhindert werden können, wenn die Polizei fünf Tage vor seinem Tod intensiver nach Nina gesucht und die Leiche gefunden hätte. Borchert verweist darauf, Nina sei schon zuvor häufiger ausgerissen, zudem habe es Hinweise gegeben von Zeugen, die sie noch Tage später gesehen haben wollten. Borchert: "Wir mussten davon ausgehen, dass sie nicht nach Hause kommen wollte."

In der "Allgemeinen Zeitung" aus Uelzen haben sich nacheinander der Vater und die Mutter des dringend Tatverdächtigen zu Wort gemeldet. Die Mutter versicherte: "Ich hasse ihn nicht, ich stehe zu ihm, egal was er getan hat." Sie verweist auf viel Gewalt in der Familie durch den Vater und meinte: "Ich will seine Taten nicht entschuldigen, aber mein Sohn ist auch ein Opfer." Der Vater dagegen sagte, es habe seit der zweiten Klasse Ärger mit seinem Sohn gegeben: "Ja, ich kann mir vorstellen, dass es Jan war." Seit fünf Jahren habe er keinen Kontakt mehr mit ihm: "Ich bin zerbrochen an meinem Sohn."

Nina soll heute in Bodenfelde beigesetzt werden, die Beerdigung von Tobias ist für Sonnabend geplant.