Heinz Hilgers, 62, ist Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes.

Hamburger Abendblatt:

1. Der mutmaßliche Mörder von Bodenfelde suchte im Internet nach Opfern. Welche Gefahren drohen Kindern dort?

Heinz Hilgers:

Sie können in Chats zu gefährlichen Kontakten verleitet werden. Karl Valentin hat gesagt: "Erziehung hat keinen Zweck, Kinder machen uns sowieso alles nach." Das stimmt auch fürs Internet. Vorbildrollen haben nicht nur Eltern oder Erzieher, auch Softwareproduzenten und Programmierer.

2. Können wir die Fallzahlen sexuellen Missbrauchs durch mehr Schutz im Internet verringern?

Hilgers:

Nein, weil der massenhafte sexuelle Missbrauch im sozialen Nahbereich passiert, etwa in der Familie. Täter sind oft Menschen, denen Kinder seit Langem vertrauen. Wir gehen von etwa 80 000 bis 120 000 Fällen im Jahr aus.

3. Wie sollen Eltern, die keine Internet-Erfahrung haben, ihre Kinder schützen?

Hilgers:

Das Wichtigste ist ein stabiles Vertrauensverhältnis. Kinder sollten Eltern immer anvertrauen können, was sie im Internet erleben. Die Generation der 13- bis 16-Jährigen ist bei der Nutzung elektronischer Medien oft überlegen. Hier bieten wir Medienkurse für Eltern an.

4. Wie viel Freiraum sollten Eltern ihren Kindern im Internet lassen?

Hilgers:

Kindern steht Privatsphäre zu, aber die elterliche Aufsichtspflicht hat Vorrang. Kinder sollten nicht hinter ihrem Rücken kontrolliert, sondern direkt angesprochen werden. Ihnen muss vermittelt werden, dass sie selbst bewerten können, welche Vorbilder falsch sind und wie sie sich verhalten sollen. Keine Bilder von sich ins Internet stellen, Verabredungen beim ersten Mal nicht allein wahrnehmen.

5. Sollte die Privatsphäre im Internet zum Schutz der Kinder eingeschränkt werden?

Hilgers:

Bei der Ermittlung von Kinderpornografie vertrete ich ganz klar, dass die Zugriffsdaten, die Logfiles, Tatverdächtiger freizugeben sind. Aber komplette Chats überwachen? Das ist ein Bruch des Postgeheimnisses.