Parteien in Niedersachsen streiten um eine Reform, die viele Jahre halten soll. Ende November treffen sich Regierung und Opposition zum Bildungsgipfel.

Hannover. Niedersachsen schafft mit der Oberschule eine neue Schulform, reagiert damit auf den dramatischen Schülerschwund vor allem der Hauptschulen. Ob es aber zu dem von Ministerpräsident David McAllister (CDU) angestrebten "Schulfrieden" auch mit den Oppositionsparteien kommt, blieb gestern im Landtag in Hannover offen.

Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) beschwor dort in einer kurzfristig angesetzten Regierungserklärung die Opposition, sich Kompromissen nicht zu verweigern: "Es geht um bestmögliche Bildungschancen für unsere Kinder und nicht um Glaubenskriege." Aber die zentrale Forderung der drei Oppositionsparteien nach niedrigeren Hürden für die Neugründung von Gesamtschulen ist weiter umstritten.

Spätestens am 30. November werden beide Seiten Farbe bekennen müssen. Dann nämlich treffen sich Lehrer- und Elternorganisationen , Kommunale Spitzenverbände und Parteien zum zweiten Bildungsgipfel. Der bildungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Karl-Heinz Klare, hielt SPD, Grünen und Linksfraktion vor, seine Partei habe sich mit der Zusammenlegung von Haupt- und Realschulen zur neuen Oberschule schon weit bewegt: "Wir suchen den ehrlichen Konsens, aber Sie sind dabei, einen historischen Kompromiss zu verspielen."

Klar ist angesichts der Mehrheit von CDU und FDP im Landtag: Bereits zum nächsten Schuljahr kommt die Oberschule. Gestern haben die Koalitionsfraktionen beschlossen, die Neugründungen mit zehn Millionen Euro zusätzlichem Geld zu unterstützen. Diese neuen Schulen können ebenso wie Gymnasien mit nur drei Klassen je Jahrgang auch ein gymnasiales Angebot bis zum Abitur anbieten. Bei rückläufigen Schülerzahlen ist dies im ländlichen Bereich eine Chance, ein wohnortnahes Schulangebot zu sichern.

Dass es dagegen für die Gesamtschulen bei der Fünfzügigkeit bleiben soll, daran stoßen sich die Oppositionsfraktionen. Die schulpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Ina Kortner, hielt der Landesregierung vor, nur der Philologenverband als Vertretung der Gymnasiallehrer begrüße das Konzept: "Allein auf dem Spezialinteresse eines einzelnen konservativen Standesverbandes werden Sie aber keinen Schulfrieden begründen können."

Kultusminister Althusmann bot gestern aber immerhin an, eine andere Hürde zu senken. Derzeit müssen die Schulträger für 14 Jahre im Voraus belegen, dass die Schülerzahlen für die Fünfzügigkeit ausreichen werden. Diesen Prognosezeitraum will Althusmann auf zehn Jahre reduzieren.

Die Grünen-Abgeordnete Korter beklagte eine Bremserrolle der FDP in der Schulstrukturdebatte. Den Liberalen gehe es nur darum, den Gymnasien Konkurrenz durch Gesamtschulen zu ersparen. Und die schulpolitische Sprecherin der SPD, Frauke Heiligenstadt, sieht das ähnlich: "Mit ihrer harten Haltung machen Sie einen Kniefall vor dem Koalitionspartner FDP."

Der schulpolitische Sprecher der CDU, Klare, hielt dagegen den Oppositionsparteien vor: "Es geht Ihnen nicht um die Kinder und einen Kompromiss, sondern darum, politische Munition für die politische Auseinandersetzung zu haben."

Offen ist, ob sich die Parteien jetzt vor dem Bildungsgipfel noch aufeinander zu bewegen. Althusmann sagte in seiner Rede, man habe sich bereits in vier von fünf strittigen Punkten verständigt. Und die SPD-Abgeordnete Heiligenstadt formulierte: "Sie schlagen die Tür zum Schulfrieden fast zu."

Dass es angesichts des erheblichen Schülerrückgangs Handlungsbedarf gibt und die Hauptschulen nicht zu retten sind, darin immerhin sind sich alle Fraktionen einig. Deren Anmeldezahlen liegen inzwischen unter zwölf Prozent der Kinder eines Jahrgangs. Unter dem Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU) aber kam es in achteinhalb Jahren zu keinen Konsequenzen. Wulffs Nachfolger McAllister nutzte dann aber gleich seine erste Regierungserklärung im Sommer, um das Problem anzugehen.

In etwas mehr als zwei Jahren wird ein neuer Landtag gewählt, McAllisters erklärtes Ziel war es, eine Lösung zu finden, die über mehrere Legislaturperiode dem Land neue Debatten und erneute Schulstrukturreformen ersparen.