Jetzt bekommt auch Niedersachsen eine Bildungsreform. Zweigliedriges System ist eine Reaktion auf die sinkenden Schülerzahlen

Hannover. Als letztes norddeutsches Bundesland reagiert Niedersachsen auf die stark sinkenden Schülerzahlen und steigt schrittweise aus den eigenständigen Hauptschulen aus. Sie sollen nach dem Willen der CDU/FDP-Koalition unter Ministerpräsident David McAllister (CDU) schon im kommenden Schuljahr mit Realschulen zur neuen Oberschule zusammengelegt werden können.

Mit dieser Ankündigung ist der niedersächsische Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) gestern auf die Oppositionsparteien und die Kommunalen Spitzenverbände zugegangen. Regierungschef McAllister appellierte deshalb an diese Parteien, "diesen Vorschlag ernsthaft zu prüfen".

Danach aber sieht es nach dem gestrigen Bildungsgipfel in Hannover mit Fraktionen, Lehrer- und Elternorganisationen sowie den Kommunalen Spitzenverbänden nicht aus. Die schulpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Ina Korter, sagte: "Die Landesregierung muss endlich die Schikanen für die Neugründung Integrierter Gesamtschulen aufgeben." Für die schulpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Frauke Heiligenstadt, sichert die neue Schulform kein wohnortnahes und flexibles Angebot: "Das eklatante Bildungsgefälle zwischen Stadt und Land wird zementiert."

Zentrale Forderung der Oppositionsparteien ist es, dass die Neugründung von Gesamtschulen nicht länger an den Nachweis geknüpft wird, dass diese neuen Schulen mindestens fünfzügig sein müssen. Der Entwurf der Landesregierung sieht hier lediglich die Möglichkeit von Ausnahmen in solchen Landkreisen vor, die bislang keine Integrierten Gesamtschulen haben.

Das Ziel von Kultusminister Althusmann ist: "Wir wollen innerhalb von zehn bis 15 Jahren ein weitgehend zweigliedriges System aus Oberschule und Gymnasium. Unsere Schulen werden damit mit Blick auf den Schülerrückgang zukunftssicher aufgestellt."

Das bezieht sich vor allem auf die dramatische Entwicklung an den Hauptschulen. Die Zahl der Anmeldungen ist binnen weniger Jahre auf den Negativrekord von nur noch zwölf Prozent der Kinder eines Jahrgangs gesunken. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Schüler je Jahrgang dramatisch ab, um bis zu 40 Prozent in den nächsten 15 Jahren. Damit aber standen immer mehr Hauptschulen vor allem im ländlichen Raum vor dem Aus.

Die neue Oberschule, so erläuterte Minister Althusmann am Dienstag, soll mindestens zweizügig sein und dann ein Hauptschul- und ein Realschulprofil anbieten. Möglich ist bei Dreizügigkeit dann auch ein gymnasiales Angebot. Es bleibe den Schulträgern, also Landkreisen und Städten überlassen, ob sie tragfähige Haupt- und Realschulen erhalten wollen. Damit ähnelt die neue Oberschule stark Kooperativen Gesamtschulen, während Integrierte Gesamtschulen stärker auf gemeinsamen Unterricht auch unterschiedlich leistungsstarker Schüler setzen.

Die Neuorientierung der Schulpolitik ist das erste große Reformprojekt des neuen Ministerpräsidenten McAllister. Sein Vorgänger Christian Wulff, der heutige Bundespräsident, hatte trotz des dramatischen Schülerrückgangs Strukturveränderungen vermieden. Vor dem Hintergrund auch des Hamburger Volksentscheids, bei dem die Einführung der sechsjährigen Primarschule und die Dezimierung der Gymnasien abgelehnt wurde, hat die CDU/FDP-Landesregierung die Gymnasien von Veränderungen ausgespart.

Der Philologenverband als Vertretung der Gymnasiallehrer begrüßte prompt die Einführung der neuen Oberschule und die Existenzgarantie für die Gymnasien. Weil rückläufige Schülerzahlen mittelfristig auch die Existenz einzelner Gymnasien bedrohen, ist es für den Philologenverband wichtig, dass nur wenige neue Gesamtschulen den bestehenden Gymnasien Konkurrenz machen können.

Dafür, dass es hier bei Ausnahmen bleibt, hatte sich vor allem der kleinere Koalitionspartner eingesetzt. Die SPD-Abgeordnete Heiligenstadt: "Die FDP gefällt sich inzwischen in Hannover ebenso wie in Berlin in der Rolle der Blockiererin." Althusmann mahnte sofort eine sachliche Debatte an.