Der Gärtnermeister Meinolf Hammerschmidt züchtet 730 alte Apfelsorten. Jetzt hat er den Raritäten ein ganzes Buch gewidmet.

Winderatt/Sörup. Wer über Äpfel nicht mehr zu sagen weiß, als dass man sie zu jeder Jahreszeit recht günstig bekommt und dass sie rotbackig, grün oder rot-grün sind, hat dringend Nachholbedarf. Solchen Banausen hilft Meinolf Hammerschmidt gern auf die Sprünge. Denn die Apfelwelt ist vielfältiger, als Holsteiner Cox, Braeburn und Granny Smith uns im Supermarkt glauben machen.

Der Gärtnermeister Meinolf Hammerschmidt hat dem Lieblingsobst der Deutschen ein ganzes Buch gewidmet - "Das Apfelbuch Schleswig-Holstein". Keine trockene pomologische (apfelkundliche) Abhandlung, kein Bestimmungsbuch, sondern eine Liebeserklärung an die Äpfel mit zauberhaften Geschichten zum Thema. Und weil das Lesen unweigerlich Appetit macht, gibt es einen Anhang mit Rezepten, zusammengestellt von den Landfrauen Schleswig-Holsteins, die zeigen, was man aus Äpfeln in der Küche alles zaubern kann.

Der 66-jährige Obstexperte kämpft seit vielen Jahren für den Erhalt der Apfel-Vielfalt. Er hat auf seinem Anwesen in Winderatt/Sörup im Kreis Schleswig-Flensburg 730 Apfelsorten und eine Baumschule für die Nachzucht historischer Obstsorten sowie ein kleines Obstmuseum. "Etwa 300 Sorten kann ich problemlos erkennen, wenn ich den Apfel sehe", sagt Hammerschmidt, bei den anderen müsse er zu seinen Bäumen gehen und vergleichen. Dabei sei das nur ein Bruchteil der Sorten, die es weltweit gebe, sagt er bescheiden: "24 000 Apfelsorten sind erfasst."

Er habe versucht, bei der Auswahl der Äpfel, die er im Buch vorstellt, von Hamburg bis zur dänischen Grenze allen Regionen gerecht zu werden, sagt der Pomologe, der es als "großes Dilemma" empfindet, dass viele nur mehr die großen, bekannten Sorten, die in Supermärkten angeboten werden, kennen. Die detailgetreuen Zeichnungen der Früchte in dem Buch stammen von Walter Karberg, einem emeritierten Professor aus Berlin. "Wir kennen uns schon lange, er hat ein wahnsinniges künstlerisches Talent", sagt Hammerschmidt.

Er hat im Laufe der Jahre viele Geschichten über die Apfelraritäten gesammelt und ihre Historie erforscht. Beispielsweise die Herkunft des "Agathe von Klanxbüll", der fein nach Rose duftet. Agathe Petersen betrieb vor etwa 100 Jahren ein Gasthaus an der Straße zwischen Klanxbüll und Rodenäs in Nordfriesland. Als der Hindenburgdamm nach Sylt gebaut wurde, übernachteten Bauingenieure in Petersens Gasthaus, aber auch Vertreter und Kaufleute stiegen bei ihr ab. Einer dieser Reisenden packte eines Tages einen roten Apfel aus und verzehrte ihn mit Genuss. Tante Agathe, wie sie genannt wurde, bat um den Griebs, pulte die Kerne heraus und steckte sie in einen Blumentopf. Bald zeigte sich das erste Grün. Den jungen zarten Trieb pflanzte sie in ihren Garten. Nach einigen Jahren trug der Baum erste Früchte - auffallend duftende, rotbackige Äpfel. Der Duft dieser Früchte, die später den Rosenäpfeln zugeordnet werden, hielt bis in den Winter.

17 Jahre später besuchte ein Gärtner aus Niebüll Tante Agathe und schnitt Edelreiser, um die Sorte vermehren und verbreiten zu können. Bald standen junge "Agathe"-Apfelbäume in vielen nordfriesischen Gärten. Etwa zehn Jahre vor dem Tod der Wirtin malte ein unbekannter nordfriesischer Maler Tante Agathes Äpfel und schenkte ihr das Bild. Der Urbaum, inzwischen etwa 100 Jahre alt, steht noch heute im Windschatten des Agathenhofs. Einer seiner Ableger steht übrigens im Nolde-Garten auf Seebüll. Der Maler Emil Nolde hatte ihn noch zu Lebzeiten von Agathe Petersen gepflanzt.

Auch der "Juwel aus Kirchwerder", norddeutscher Apfel des Jahres 2010, hat eine spannende Historie. Der Gemüsebauer Peter Martens aus den Vierlanden verkaufte in den 1920er-Jahren seine Ernte auf den Hamburger Märkten. Er verdiente sich etwas Geld dazu, indem er im Anschluss den Marktplatz fegte. Den Kehricht lud er auf sein Fuhrwerk und brachte ihn auf seine Äcker als Dünger aus. Dabei ging ein Apfelsämling auf, der schnell wuchs und auffallend große, gezahnte Blätter hatte. Peter Martens musste einige Jahre warten, ehe er die ersten rotbackigen, saftigen Äpfel ernten konnte. In den Vierlanden wurde der Apfel als "Peter Martens" oder "Martens Apfel" bekannt. Auch dieser Apfel machte Karriere und wurde in vielen Hamburger Gärten gepflanzt. Irgendwann tauchte die Sorte als "Juwel aus Kirchwerder" auf. Vielleicht, weil es einfach verkaufsfördernder klang als "Martens Apfel".

Marketingaspekte sind für Meinolf Hammerschmidt zweitrangig, wenn es um seine Liebe zu Äpfeln geht: "Für die meisten ist heutzutage nur mehr die Konsistenz wichtig: Knackig muss der Apfel sein und gut lagerfähig." Ihm seien Duft und Geschmack wichtig "und wie man ihn in der Küche verwenden kann". Und deshalb gelte es, die Sortenvielfalt zu bewahren: "Äpfel sind ein Stück Kulturgut."

Meinolf Hammerschmidt: "Das Apfelbuch Schleswig-Holstein. Sorten, Geschichten, Rezepte". Wachholtz Verlag 2010, 108 Seiten, 14,80 Euro

Obstmuseum: Waldweg 2, 24966 Sörup, Tel: 04635/27 45. Infos unter www.alte-obstsorten.de