1985 wurde eine 15-jährige Schülerin ermordet. Jetzt findet die Polizei eine DNA-Spur und lädt 2200 Männer zu einem Massengentest.

Lübeck. Mit einem Massen-Gentest will die Polizei den mehr als 25 Jahre zurückliegenden Mord an einer 15-jährigen Schülerin aufklären. Mehr als 2200 Männer aus dem südöstlichen Schleswig-Holstein bekommen jetzt Post von der Kriminalpolizei Lübeck. Sie werden aufgefordert, eine Speichelprobe für eine DNA-Reihenuntersuchung abzugeben. An diesem Wochenende sollen die ersten 1200 Briefe ihre Empfänger in den Städten Bad Oldesloe und Reinfeld (Kreis Stormarn) und in den umliegenden Dörfern erreichen.

Am Abend des 1. Juni 1985 wurde die damals 15 Jahre alte Schülerin Silke B. aus Reinfeld erstochen - mit einem Messer, in einem Rapsfeld an der Trave zwischen den Dörfern Schlamersdorf und Sühlen. Den Mörder konnte die Polizei nicht ermitteln, der Fall wanderte zu den Akten. Erst im Sommer des vergangenen Jahres stießen Ermittler dann auf einen neuen Hinweis. Jan-Hendrik Wulff, Sprecher der Polizeidirektion Lübeck: "Experten des Landeskriminalamts fanden bei einer erneuten Untersuchung der Beweismittel eine männliche DNA-Spur, die höchstwahrscheinlich dem mutmaßlichen Mörder zuzurechnen ist."

Seit einiger Zeit nehmen sich Polizisten immer wieder die Akten unaufgeklärter Verbrechen vor und überprüfen mit neuester Kriminaltechnik Spuren auf genetische Fingerabdrücke. Erst vor knapp einem Monat gelang es der Hamburger Polizei so, den ebenfalls 1985 begangenen Mord an der Sekretärin Gabriele E., damals 26, aufzuklären. Der Täter Andreas K., 49, hatte im Sommer dieses Jahres in Bargteheide eine 25 Jahre alte Arzthelferin entführt, eine Woche lang gefangen gehalten und missbraucht, bevor er sich in seinem Haus in Tangstedt das Leben nahm.

Die Lübecker Ermittler untersuchten daraufhin, ob es auch Verbindungen zwischen Andreas K. und dem Fall Silke B. gab. Doch die DNA-Spuren stimmten nicht überein. Polizeisprecher Jan-Hendrik Wulff: "Nach einer Fallanalyse gehen wir davon aus, dass der Täter 1985 zwischen 18 und 25 Jahre alt war, einen Führerschein besaß und entweder maximal 15 Kilometer vom Tatort entfernt wohnte oder eine allgemeinbildende, weiterführende oder berufsbildende Schule in Reinfeld oder Bad Oldesloe besuchte."

Dieses Raster ist nach Auffassung der Richter am Amtsgericht Lübeck engmaschig genug, um eine Reihenuntersuchung zu beschließen. Werner Spohr von der Staatsanwaltschaft Lübeck, die den Massengentest beantragt hatte, sagt: "Laut Strafprozessordnung müssen bestimmte Kriterien konkretisierbar sein, die auf den Täter vermutlich zutreffen." Diese Voraussetzung sei im Fall Silke B. gegeben.

Die Kriterien treffen auf jene gut 2200 Männer zu, die nun zum Speicheltest sollen. 1200 von ihnen sind noch heute in Tatortnähe zu Hause. Sie werden als Erste gebeten, an der Aktion teilzunehmen, die das Land pro Person 15 Euro kostet. Anschließend werden etwa 200 Männer in und um Ahrensburg, 200 in Lübeck und im Kreis Ostholstein und 70 im Kreis Segeberg angeschrieben. Weitere 400 leben mittlerweile übers gesamte Bundesgebiet verstreut, einige sogar im Ausland. "Wir mussten jede Adresse einzeln ausfindig machen", sagt Polizeisprecher Wulff.

Die Abgabe einer Speichelprobe für einen Massen-Gentest ist laut Strafprozessordnung freiwillig. Wie die Polizei mit jenen umgeht, die der Bitte nicht nachkommen, müsse - so Wulff - im Einzelfall geklärt werden.

Bereits im Sommer 2009, unmittelbar nachdem die genetischen Spuren entdeckt worden waren, hatten Kriminalbeamte sie mit der DNA der Verwandten und Freunde von Silke B. abgeglichen. Ihr Vater Jens B., inzwischen 70 Jahre alt, hofft, dass der Mörder seines einzigen Kindes nun doch noch gefasst wird. Er sagt: "Wenn Silkes Mörder gefunden wird, kommt sicherlich noch mal ordentlich was auf uns zu. Andererseits werde ich niemals zur Ruhe kommen. So etwas verfolgt einen ewig."