In der Affäre um mögliche illegale Wahlkampfhilfe wächst der Druck auf Bundespräsident Christian Wulff.

Wolfsburg/Hannover. Die Affäre um mögliche illegale Wahlkampfhilfe der Wolfsburger Stadtwerke für den heutigen Bundespräsidenten Christian Wulff wächst in eine neue Dimension. Fahnder haben am Donnerstag in der niedersächsischen CDU-Zentrale Akten sichergestellt. 16 Wohnungen und Büros in der Region hat das Landeskriminalamt (LKA) gestern durchsucht, darunter auch das Wohnhaus des Wolfsburger Oberbürgermeisters Rolf Schnellecke (CDU), des beurlaubten Stadtwerke-Vorstandschefs Markus Karp sowie des ehemaligen Stadtwerke-Pressesprechers Maik Nahrstedt.

Erstmals gibt es auch konkrete Hinweise darauf, dass Nahrstedt von der Landespartei in Hannover tatsächlich eindeutige Arbeitsaufträge bekam, die er in seiner Arbeitszeit erledigte.

Es geht im Kern um den Zeitraum 2002/2003 und damit auch um die Person Christian Wulff. Der heutige Bundespräsident und damalige Landesvorsitzende der niedersächsischen CDU gewann am 2. Februar 2003 die Landtagswahl und wurde Ministerpräsident.

Der aktuelle Generalsekretär der Landes-CDU, Ulf Thiele, hat nach Bekanntwerden des Verdachts der illegalen Parteienfinanzierung alle Vorwürfe zurückgewiesen: "Nahrstedt war ausschließlich ehrenamtlicher Wahlkampfhelfer, der sporadisch bei Terminen Unterstützung geleistet hat." Und Thiele fügte hinzu, Nahrstedt sei nie in der Pressestelle der Landespartei tätig gewesen: "Er hat dieser auch nicht zugearbeitet."

Genau diese Zuarbeit aber belegen diverse E-Mails und Faxe, die dem Abendblatt vorliegen. Sie zeigen die Einbindung von Nahrstedt in den Wahlkampf auf. Konkret geht es um den damaligen CDU-Sprecher Olaf Glaeseker und den bis Mitte 2002 amtierenden CDU-Generalsekretär Hartwig Fischer. Glaeseker war schon damals enger Vertrauter des heutigen Bundespräsidenten Wulff und ist jetzt sein Sprecher im Bundespräsidialamt.

Nicht nur von Wulff wollen die Oppositionsparteien in Hannover wissen, was er damals wusste. Auch Ministerpräsident David McAllister soll "endlich sein Schweigen brechen", forderte gestern die Linksfraktion. Er war ab Sommer 2002 als Nachfolger von Fischer Generalsekretär der Landespartei. Und in dieser Eigenschaft war er der Vorgesetzte von Markus Karp, der damals den Landtagswahlkampf managte. Karp ist neben Nahrstedt die Schlüsselfigur der Stadtwerke-Affäre.

Deren Ausgangspunkt war vergangene Woche die Selbstbezichtigung von Nahrstedt. Nach seiner fristlosen Kündigung hat Nahrstedt in einem 14-seitigen Schreiben an den Aufsichtsrat behauptet, er sei von den Stadtwerken bei voller Bezahlung für den CDU-Landtagswahlkampf 2003 quasi freigestellt worden. In seiner Selbstbezichtigung schilderte Nahrstedt, wie er Tausende von Kilometern mit dem Dienstwagen der Stadtwerke für die CDU im Einsatz war, an Treffen von Wahlkampfgremien teilnahm, auf Kosten der Stadtwerke CDU-Bestellungen aufgab, etwa für Fotos. Seine faktische Freistellung und alle Aktivitäten seien auf Betreiben von Karp erfolgt, früher Aufsichtsratschef und später Vorstand der Stadtwerke. Der Marketingfachmann Karp wiederum war 2001 in Wolfsburg Wahlkampfleiter der CDU im Kommunalwahlkampf, am Ende machte der CDU-Kandidat Schnellecke das Rennen und wurde Bürgermeister. So wurde der damalige CDU-Landesvorsitzende Christian Wulff auf Karp aufmerksam und holte ihn für den Landtagswahlkampf als Leiter nach Hannover.

Befragt zu den Gründen für seine Selbstbezichtigung, bestritt Nahrstedt gestern, dass es nur um eine Reaktion auf seine fristlose Kündigung ging: "Es war keine Rachsucht, sondern Sorge um die Zukunft der Wolfsburger Stadtwerke." Auch seine Wohnung habe das LKA am Morgen durchsucht, bestätigte er: "Ich finde es gut, dass die da waren, und hoffe, dass da was rauskommt."

Die CDU-Landesgeschäftsstelle hat ebenfalls gestern dem Landeskriminalamt die Unterlagen über den Landtagswahlkampf 2002/2003 zur Verfügung gestellt. Generalsekretär Thiele wehrte sich dabei gegen Berichte, auch die CDU-Büros seien mit Durchsuchungsbeschluss von Ermittlern durchsucht worden: "Von einer Razzia kann keine Rede sein." Die Staatsanwaltschaft habe ihm bescheinigt, "dass die CDU in Niedersachsen unverdächtig ist".

SPD-Landesgeschäftsführer Michael Rüter reichen Thieles Aussagen nicht aus: "Es ist überfällig, dass David McAllister und Olaf Glaeseker die Karten auf den Tisch legen."