Experten-Treffen zum Beginn der norddeutschen Sturmflut-Saison. Noch hat kein Klimawandel die Kraft des Windes verändert

Hamburg. Draußen schob ein veritabler Westwind das Morgenhochwasser bis dicht unter die Kante des Fischmarktes in Hamburg - während hoch oben auf dem Elbhang im mächtigen Backsteinbau des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) Küsten-Experten verschiedener Disziplinen über regionale Folgen von Sturmfluten diskutierten.

Passender hätte sich der offizielle Beginn der Sturmflut-Saison in Norddeutschland am gestrigen 15. September wohl kaum zeigen lassen. Fazit der verschiedenen Fachvorträge: Bisher hat sich ein Klimawandel nicht bemerkbar gemacht. Die Sturmfluten an der Nordseeküste seien in den vergangenen Jahrzehnten weder häufiger geworden noch habe ihre Schwere zugenommen. Allerdings würden sie nicht mehr verstärkt im Herbst, sondern eher im Winter auftreten. Gleichwohl laufen die Sturmfluten deutlich höher auf. Vor allem in Hamburg, wie Manfred Meine, Leiter der Abteilung Tideelbe bei der Hamburger Port Authority (HPA), sagte. Ursache sei aber nicht der Klimawandel, sondern Bauwerke wie Eindeichungen, die den Fluss so verändert hätten. Das normale Hochwasser liege am Pegel St. Pauli daher heute etwa 40 Zentimeter höher und das mittlere Niedrigwasser sogar 80 Zentimeter niedriger als noch vor 50 Jahren. In fernerer Zukunft müsse man mit noch höheren Fluten rechnen, sollten die Prognosen für Meeresspiegelanstieg und Klimawandel tatsächlich eintreten, so der HPA-Elbeexperte. Die HPA habe daher ein Tideelbekonzept erarbeitet, das langfristig die Sturmflutenergie wieder bremsen könnte. Meine verwies dazu auf Pläne, weit in der Elbmündung vor Cuxhaven Sandbänke zu verstärken und zusätzliche Inseln aufzuspülen. Auf weite Sicht könnte aus der Kette der Sandbänke ein Deich entstehen, der im Bogen den Mündungsbereich weiter einengt. Dort, so Meine, könnte dann eines Tages ein Sperrwerk vor höchsten Fluten schützen.

Der international renommierte Meteorologie-Professor und Leiter des Instituts für Küstenforschung am GKSS Forschungszentrum in Geesthacht, Hans von Storch, lobte das Tideelbe-Konzept. "Eine weltweit neue Idee im Umgang mit dem Klimawandel", so von Storch. Es sei eben vernünftig, sich rechtzeitig auf den Teil des Klimawandels einzustellen, der nicht mehr verändert werden könne. "Stattdessen wird an anderer Stelle gebetsmühlenartig verkündet, man könnte den Klimawandel mit Maßnahmen wie verschärftem Fahrradfahren bekämpfen", sagte von Storch, der sich schon mehrfach gegen zu viel "Alarmismus" in der Klima-Diskussion ausgesprochen hatte.