Sylter und Touristen versuchen, nach der Nacht der schweren Brandstiftungen zur Normalität zurückzufinden

Sylt. Fast scheint es, als säßen die größten Opfer auf dem Festland: Sauer, erbost und wütend schienen die Anrufer, die sich gestern im Wenningstedter Hotel "Windrose" erkundigten, wann sie denn in die von ihnen gebuchten Zimmer einziehen könnten. "Zunächst einmal gar nicht" - das war die Antwort und der Grund für die Aufgeregtheit der Anrufer. Auf der Insel selbst, wo die eigentlichen Schäden angerichtet wurden, dagegen herrscht fast stoische Gelassenheit vor. Trotz der Millionenschäden, die ein oder mehrere Täter am frühen Montag an sechs Orten anrichteten.

Denn davon ist die Polizei überzeugt: Die Feuer der beispiellosen Brandnacht auf der Urlaubsinsel sind mutwillig gelegt worden. Und offenbar ging es dem Täter nicht nur darum, Gegenstände, Papier und Unrat brennen zu sehen.

+++Wieder Brände auf Ferieninsel! Zündelt der Feuerteufel weiter?+++

Silke Renning, Leiterin jenes Westerländer Awo-Altenheims, das der Brandstifter gleich mehrere Male aufsuchte, berichtet: "Zunächst, gleich nach Mitternacht, brannten die Müllcontainer etwas abseits der Anlage. Wir konnten das schnell löschen, es hat uns auch nicht sonderlich beunruhigt." Später in der Nacht aber sei der Brandstifter dann direkt ins Heim gekommen, durch eine offene Terrassentür. "Ein Bett wurde angezündet, in dem ein Mitarbeiter schlief, und eine Gardine. Eine zweite wurde durch einen Fensterspalt angekokelt. Da kann einem schon unheimlich werden."

Das Altenheim, in dem auch viele bettlägerige Patienten leben, ist voll belegt. Der schlafende Mitarbeiter sei gerade noch rechtzeitig aufgewacht und habe das Feuer im Keim erstickt. Die Feuerwehr ist auch schnell da gewesen. Man will jetzt die Fenster lieber geschlossen halten über Nacht.

Vor dem Wenningstedter Hotel Windrose haben die Mitarbeiter des Hauses ein provisorisches Büro eingerichtet. Computerbildschirme auf den Fensterbänken, Telefone daneben, ein Tisch, eine große Kaffeekanne, jede Menge Cola. Am Telefon ungehaltene Gäste, die ihren Urlaub antreten wollten und denen Windrose-Direktor Christian Kölling jetzt absagen muss. Das Hotel wird wegen der nötigen Prüf- und Aufräumarbeiten auch in der kommenden Woche noch geschlossen sein. Und die Insel ist voll. Da muss man sich schon einiges anhören. "Aber wir haben das Feuer ja nicht gelegt", versucht eine Kölling-Mitarbeiterin zu beruhigen.

Im Umfeld der Windrose war der Brandstifter mindestens dreimal aktiv. Unten im Keller, wo es richtig gebrannt hat. Gegenüber im Restaurant Meeresblick, wo das Feuer schnell entdeckt und gelöscht wurde. Dann noch in einem Holzschuppen schräg gegenüber. So berichtet es Jörg Elias, der Wehrführer der Freiwilligen Feuerwehr Westerland. Er ist von Mitternacht bis kurz vor sieben Uhr abends im Einsatz gewesen, saß am Morgen danach wieder an seinem Arbeitsplatz im Tourismuszentrum. Er organisiert hier die Veranstaltungen vom Surfcup bis zum Silbermond-Konzert. Elias ist einer, der immer wieder als einer der Ersten am Ort war, einer der Helden dieser Nacht, die ja auch schlimmer hätte ausgehen können, oder?

"Ach", sagt Elias und lässt die Lesebrille vor der Brust baumeln, "wir sind ja ganz gut aufgestellt hier auf Sylt. Unsere Leute sind sehr gut ausgebildet, wir haben das beste Equipment, alles in einwandfreiem Zustand, die Kommunen unterstützen uns nach Kräften." Müsse ja auch so sein hier auf der Insel, die vom Tourismus lebe und auf die man ja keine Hilfe vom Festland holen könne, eben mal so. Es hat jedenfalls funktioniert, "ein Rädchen hat in das andere gegriffen. Und jetzt hoffen wir, dass das zu Ende geht."

Sylts umtriebige Bürgermeisterin Petra Reiber sagt, dass es für jemanden, der über Auto oder Motorrad verfügt, kein Problem gewesen wäre, nächtens an sämtlichen Tatorten zur entsprechenden Brandzeit aufzutauchen. Reiber: "Aber natürlich müssen wir die offiziellen Ermittlungsergebnisse der Polizei abwarten." Die war unter anderem mit Spürhunden an den Tatorten gewesen. Die Ergebnisse ihrer Arbeit sollen heute vorliegen.

15 Leute von der Kripo sind jetzt im Einsatz, acht davon sind Verstärkung aus Flensburg. Auch Streifenwagen sollen jetzt häufiger unterwegs sein auf Sylt, aber das nimmt man nicht wirklich wahr. Es ist wie immer abends und nachts, geschwätzige Restpartys bei Leysieffer an der Friedrichstraße, Grauer Burgunder flaschenweise bei Gosch am Kliff in Wenningstedt.

Und eine Inselbevölkerung, die das alles mit beneidenswerter Gelassenheit hinnimmt.