Kaum hatte sie vor fünf Jahren die Zusage für die Stelle als Pastorin von St. Severin in Keitum auf Sylt, da passierte das, was viele Chefs nicht gern hören. Susanne Zingel, damals 44, erwartete ihr zweites Kind. Als schwangere Frau in ein Pastorat zu kommen, in dem in den 70 Jahren davor nur zwei Kirchenmänner tätig waren - andere hätten sich davon abschrecken lassen, nicht aber die gebürtige Lübeckerin. Inzwischen ist die Pastorin, verheiratet mit einem Hörbuch-Produzenten, doppelt stolz: Sie ist längst von der Gemeinde akzeptiert, und jetzt erhielt ihre Kirche, für viele die Seele von Sylt, eine ganz besondere Weihe: Der Dachstuhl ist der älteste in ganz Schleswig-Holstein.

Schon als Mädchen hatte Susanne Zingel den Wunsch, Pastorin zu werden. "Meine Mutter hat mir erklärt, das ginge nicht. Das sei ein Männerberuf." Doch sie setzte sich durch, voller Gottvertrauen. Elf Jahre in der Christiansgemeinde in Hamburg-Ottensen, dann auf Sylt. Vermutlich half ihr auch dieser feste Wille, dass sie sich als Nachfolgerin des wortgewaltigen Traugott Giesen so schnell behaupten konnte.

Als sie nach der Geburt von Carl Jonte 15 Wochen aus Gründen des Mutterschutzes nicht predigen durfte, lud sie sich Theologen-Freunde auf die Insel ein. "Die haben gepredigt, und ich habe mir die Gottesdienste von hinten angeguckt. Das war eine sehr gute Schule", sagt Zingel. Und immerhin sei der Einstand "originell" gewesen.