Heute beginnt die Kieler Woche: Mehr als 2000 Boote und 300 Konzerte sollen drei Millionen Besucher locken. Den ersten Auftritt hat Lotto King Karl

Kiel. Die größte Party Nordeuropas, die Kieler Woche vom 19. bis 27. Juni, beginnt offiziell zwar erst an diesem Sonnabend. Aber bereits heute werden rund um die Förde auf mehr als 60 Veranstaltungen die ersten Biere gezapft. Das "Warm up", wie Oberbürgermeister Torsten Albig (SPD) den inoffiziellen Feststart nennt, wird abends von einem Hamburger "gekrönt". Lotto King Karl gibt sein erstes von mehreren Konzerten beim diesjährigen Karneval in Kiel.

Richtig los geht es wie in den Vorjahren einen Tag später. Vom Balkon des Rathauses wird "Tatort"-Kommissar Borowski alias Axel Milberg glasen: an einer Schiffsglocke mit drei Doppelschlägen und einem Einzelschlag die Zeit 19.30 Uhr angeben. Im Anschluss spricht Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) launige Worte, bevor er mit einem Schiffshorn das Signal gibt, das Kiel für neun Tage zum Nabel der norddeutschen Tiefebene macht: lang, kurz, kurz, lang, also "Leinen los".

Für die Landeshauptstadt beginnt damit traditionell der feucht-fröhliche Ausnahmezustand. Mehr als 2000 Veranstaltungen locken, so viele wie nie zuvor. Erwartet werden drei Millionen Besucher. Die Fußball-WM ist keine Konkurrenz. Alle wichtigen Spiele werden auf Großleinwänden übertragen.

Dass die Festwoche trotz leerer Stadt- und Landeskasse wächst, verdanken die Kieler auch ihren Nachbarn aus der Metropole. Die Veolia Umweltservice GmbH aus Hamburg ist als Großsponsor neu an Bord, die HSH Nordbank trotz Krise weiter dabei. Als dritten "Premium Partner" konnte Kiel nach dem Abschied von BMW den Konkurrenten Audi gewinnen. Die Schecks aus Hamburg und die vielen kleinen Sponsoren aus der Region sorgen dafür, dass der bewährte Mix aus Musik und Matjes, Kunst und Klamauk, Politik, Segeln und Volksfest erhalten bleibt. Bis spät in die Nacht wird diesmal auf 16 Bühnen rund um die Hörn und in der City gespielt. 300 Konzerte gibt es. Mit dabei sind Stars wie Nena oder Silbermond, Oldies wie UB40 oder Level42 und Stammbands wie Torfrock oder eben Lotto King Karl und seine Barmbek Dream Boys. Fast alle Konzerte finden unter freiem Himmel statt, kosten keinen Eintritt. Ausnahme ist wie in den Vorjahren die Freilichtbühne Krusenkoppel am Landeshaus.

Auch sonst haben Besucher die Qual der Wahl. Wer tagsüber mit Kindern über die Kieler Woche schlendert, sollte auf der Spiellinie vorbeischauen. Auf Europas größter Abenteuerwiese, der Krusenkoppel, wird auf mehr als 50 000 Quadratmetern gehämmert und gematscht, in diesem Jahr nach Motiven des US-Kinderbuchs "Der Zauberer von Oz". Zehn Tonnen Lehm, vier Tonnen Sand und eine halbe Tonne Nägel liegen bereit. Die Veranstalter haben für Eltern mehrere gute Ratschläge. Sie sollten den Nachwuchs nicht in die beste Hose stecken, einen Hammer mitbringen und vorsichtshalber ihre Handynummer auf einen Arm des Kindes schreiben.

Ein ähnliches Getümmel wie auf der Spiellinie dürfte es vor dem Rathaus geben. Auf dem internationalen Markt präsentieren 33 Länder von Argentinien bis Ungarn kulinarische Köstlichkeiten zu teils üppigen Preisen. Auf der Speisekarte stehen unter anderem Krokodil-Spieße aus Ruanda, Rentier-Geschnetzeltes aus Finnland und Pakoras aus Pakistan. Dazu spielen 30 Kultur- und Folkloregruppen aus 26 Ländern sowie an einem Abend beim "classic open air" die Band Karat zusammen mit Mezzosopranistin Amira Elmadfa und dem Philharmonischen Orchester Kiel.

Erobert hat die Kieler Woche auch den Luftraum über der Landeshauptstadt. Zur inzwischen vierten Balloon Sail auf dem Nordmarksportfeld sind mehr als 70 Heißluftballons aus ganz Europa gemeldet.

Eine Klasse für sich sind die Segelwettbewerbe vor Schilksee. 5000 Aktive aus 50 Nationen in 2000 Booten machen die Kieler Woche zum größten Segelereignis der Welt. Von den vier Veranstaltern kommen zwei aus Hamburg - der Norddeutsche Regatta-Verein und der Hamburger Segelclub. Segelfans können die Regatten auf dem offiziellen Kieler-Woche-Schiff begleiten - der MS "Hamburg".

Maritim geht es auch in der City zu. An der Hörn liegen viele Dutzend Traditionssegler vertäut, und wer einen Fußmarsch entlang der Förde nicht scheut, kann über die Festmeile bis zum Tirpitzhafen laufen. Dort haben 13 ausländische Kriegsschiffe festgemacht, darunter das US-Flotten-Flaggschiff "Mount Whitney" und das russische Landungsschiff "Minsk". Beim Open Ship am ersten Festwochenende können alle Boote besichtigt werden. In den Vorjahren lagen im Tirpitzhafen deutlich mehr Schiffe. Die Marine erklärt Absagen aus Ländern wie Irland damit, dass einige Staaten inzwischen auf teure Stippvisiten im Ausland verzichten.

Mehr als zufrieden ist dagegen der Seehafen Kiel. In der Festwoche laufen 14 Kreuzfahrtschiffe mit 20 000 Passagieren ein. Maritimer Höhepunkt der Festwoche bleibt die Windjammerparade am zweiten Festsonnabend. Angeführt werden die mehr als 100 Segler und Dampfer vom Schoner "Thor Heyerdahl". Das Segelschulschiff "Gorch Fock", sonst die Nummer eins, kehrt erst Anfang Juli nach Kiel zurück; es wird derzeit im Marinearsenal Wilhelmshaven überholt.

Die Kieler Woche zeigt auch politisch Flagge. Ein internationales Städteforum befasst sich mit der Kinderarmut, und im Landeshaus diskutieren Boris Becker und Rainer Calmund auf Einladung von CDU und FDP über Vor- und Nachteile eines neuen Glücksspiel-Staatsvertrags. Zu Ende geht die Party de am übernächsten Sonntag mit dem letzten Highlight - einem Feuerwerk.

Besucher sollten mit Bus oder Bahn anreisen, weil in der City Straßen gesperrt und Parkplätze rar sind. Die Bahn setzt auf Landeskosten 124 Sonderzüge ein, acht davon in den Nächten von Freitag zu Sonnabend und dann zu Sonntag von Kiel nach Hamburg.