Kirchen haben sich vor Gericht durchgesetzt - Ladenöffnung bleibt die Ausnahme. Nun muss auch Schleswig-Holstein nachbessern.

Schwerin/Kiel. Sonntags gemütlich durch den Urlaubsort an der norddeutschen Küste spazieren und dann einkaufen, um den Kühlschrank in der Ferienwohnung aufzufüllen - damit ist es in Mecklenburg-Vorpommern vorerst vorbei. Das Greifswalder Oberverwaltungsgericht (OVG) erklärte gestern die Bäderregelung des Landes Mecklenburg-Vorpommern für unzulässig. Bislang durften an bis zu 49 Sonntagen im Jahr in 149 Ferienorten und in den Welterbestätten die Geschäfte in der Zeit zwischen 11.30 Uhr und 18.30 Uhr öffnen.

Das Land will nun das schriftliche Urteil abwarten und könnte dann in Berufung vor das Bundesverwaltungsgericht in Karlsruhe gehen. Bis auf Weiteres bleiben die Läden daher sonntags geöffnet.

In ihrer Urteilsbegründung wies die Vorsitzende Richterin Hannelore Kohl darauf hin, dass die geltende Bäderverkaufsverordnung nicht den erforderlichen "Charakter einer Ausnahmeregelung" erkennen ließe. Vielmehr verstießen deren Vorschriften gegen das für die Arbeit an Sonn- und Feiertagen vom Grundgesetz festgelegte "Regel-Ausnahme-Verhältnis". Die Bäderregelung ermögliche fast ganzjährig den gewerblichen Verkauf an Sonntagen. Nur Baumärkte, Möbel- und Autohäuser waren von der Regelung ausgeschlossen.

Das Urteil hat auch für Schleswig-Holstein Konsequenzen, weil die Kirchen die dortige Bäderregelung vom Oberverwaltungsgericht in Schleswig überprüfen lassen wollen. "Dieses Verfahren ruht derzeit, weil die Kirchen das Urteil für Mecklenburg-Vorpommern abwarten wollten", sagte Karin Fehlau, Sprecherin des schleswig-holsteinischen Wirtschaftsministeriums.

Das OVG-Verfahren in Greifswald beruhte auf einer Klage der evangelischen Landeskirchen sowie der katholischen Erzbistümer Hamburg und Berlin. Die Kirchen zeigten sich über das Urteil sehr erfreut. "Nach der Sonntagsschutzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts war allerdings auch nichts anderes zu erwarten", erklärte der Berliner Kardinal Georg Sterzinsky. Nun bestehe eine "stimmige Rechtslage". Das Bundesverfassungsgericht hatte im vergangenen November in einer Entscheidung den Schutz der Sonn- und Feiertage gestärkt und in Teilen die Berliner Regelung gekippt, nach der an bis zu zehn Sonntagen im Jahr die Geschäfte geöffnet haben dürfen.

Der Hamburger Erzbischof Werner Thissen sagte, die Entscheidung stärke den grundgesetzlich und staatsvertraglich gewährleisteten Sonntagsschutz. "Sie kommt allen Menschen in unserem Lande zugute." Auch der pommersche Bischof Hans-Jürgen Abromeit begrüßte die OVG-Entscheidung: Damit sei anerkannt worden, dass der Sonntagsschutz "weit über die religiöse Bedeutung hinausgeht" und ein "kommerzielles Interesse allein" für derartige Verordnungen nicht reiche.

Unterstützung kam auch vom Vize-Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Ingo Schlüter. Er bedankte sich bei den Kirchen in Mecklenburg-Vorpommern, "die mit diesem Rechtsstreit die gemeinsame Position von Gewerkschaft und Kirche zur Sonntagsruhe und zum Arbeitnehmerschutz durchgesetzt haben".

Mecklenburg-Vorpommerns Wirtschaftsminister Jürgen Seidel (CDU) kündigte gestern bereits eine zügige Neuregelung an. "Das muss zum Sommer etwas werden", sagte Seidel. In den touristischen Schwerpunktorten müsse es möglich sein, an den Saison-Wochenenden zu öffnen. "Die Bäderregelung wirkt saisonverlängernd, und die erweiterten Einkaufsmöglichkeiten werden von den Gästen gern genutzt", so der Minister.

Das schleswig-holsteinische Wirtschaftsministerium werde nun rasch das Gespräch mit den Kirchen suchen, kündigte Staatssekretärin Tamara Zieschang (CDU) an. Es gelte, eine außergerichtliche einvernehmliche Regelung zu finden. Auch die Nordelbische Kirche kündigte den Wunsch nach Gesprächen an. Ziel sei, so Nordelbiens Bischofsbevollmächtigter Gothart Magaard, "eine gute und ausgewogene Regelung".