Torsten Albig meint: Den Städten und Gemeinden würde es ohne Länder deutlich besser gehen.

Kiel. Kiels Oberbürgermeister Torsten Albig (SPD) hat einen radikalen Umbau des föderalen Systems in Deutschland gefordert. "Die Bundesländer sind eigentlich überflüssig", sagte der Verwaltungschef der Landeshauptstadt gestern dem Abendblatt. Den Städten und Gemeinden würde es ohne Länder deutlich besser gehen.

Als Beispiel nannte Albig das Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Es war vor Weihnachten im Bundesrat durchgewinkt worden, obwohl es bei Städten und Gemeinden zu Einnahmeausfällen in Milliardenhöhe führt. Die Verluste allein für Kiel bezifferte Albig auf sechs Millionen Euro jährlich. "Dieses Geld haben wir einfach nicht." Katastrophal sei die Finanzlage auch in anderen Kommunen. "Wir sind nicht am Abgrund angekommen, sondern hängen schon längst an dünnen Seilen darüber." Hilfe von den Ländern erwartet Albig nicht. Im Gegenteil: Die Länderregierungen würden im eigenen Saft kochen, Reformen in Deutschland immer wieder bremsen und im Namen der Städte und Gemeinden mit dem Bund schlecht verhandeln. "Wir brauchen einen solchen Mittler nicht", bekräftigte er. "Es wäre besser, wenn die Kommunen direkt mit dem Bund sprechen."

Illusionen macht Albig sich nicht. "Ich weiß, dass eine Abschaffung der Länder derzeit nicht auf der politischen Tagesordnung steht." In einigen Jahren könne das aber schon ganz anders aussehen, sagte der Jurist, der bis 2009 Pressechef des damaligen Bundesfinanzministers Peer Steinbrück (SPD) war. Seine Zuversicht begründete Albig damit, dass gerade finanzschwache Länder wie Schleswig-Holstein, Bremen oder das Saarland unter Druck geraten werden. Zum einen werde der Länderfinanzausgleich neu verhandelt, zum anderen werde sich zeigen, welche Länder die Vorgaben der Schuldenbremse (ausgeglichene Haushalte bis 2020) erfüllen können. Beides dürfte die Debatte über Länderneugliederungen anheizen.

"Das Ergebnis könnte sein, dass es weniger Länder gibt", sagte Albig. In diesem Zusammenhang sprach er sich für einen Nordstaat aus Hamburg und Schleswig-Holstein aus. "Das wäre ein erster Schritt." Länderehen könnten auch die Kosten der politischen Führung reduzieren. Entscheidend sei aber, die Städte und Gemeinden zu stärken. "Stadt statt Staat muss das Motto sein. Staat lehnen viele ab, Stadt wollen alle."

Für seine Ziele will Albig nicht nur in Kiel kämpfen. Der Oberbürgermeister der größten Stadt in Schleswig-Holstein schloss nicht aus, dass er für die SPD bei der nächsten Landtagswahl 2014 antreten könnte. "Die SPD wird in zwei bis drei Jahren entscheiden, mit wem sie in die Wahl geht", sagte er dem Abendblatt. "Ob ich 2012/2013 ein geeigneter Kandidat wäre, entscheidet sich auf dem Weg dahin." An erster Stelle stehe sein Job als Oberbürgermeister in Kiel.

Albig kam damit erstmals aus der Deckung. Der moderate Jurist (46) gilt in der Nord-SPD als Hoffnungsträger, der bei Wählern besser ankommt als der kantige Partei- und Fraktionschef Ralf Stegner (50). Mit seinem kommunalen Notruf stößt Albig zumindest in der SPD auf offene Ohren. Parteichef Sigmar Gabriel brach nach dem Machtverlust im Bund und in Schleswig-Holstein eine Lanze für die Kommunen. "Wir brauchen einen Rettungsschirm nicht nur für die Banken, sondern auch einen für Städte und Gemeinden." Bund und Länder sollten zudem einen "Kommunal-TÜV" einrichten und alles unterlassen, was Städte und Gemeinden weiter belaste. Er sprach Albig dabei direkt an. Sie kennen sich aus Berlin.