Hannover. Der frühere niedersächsische SPD-Umweltminister Wolfgang Jüttner bestreitet jede Kenntnis von Zwischenfällen wie etwa den Zutritt radioaktiv verseuchter Laugen im maroden Atomendlager Asse während seiner Amtszeit von 1998 bis 2003. Vor dem Asse-Untersuchungsausschuss des Landtags aber räumte der heutige SPD-Oppositionsführer gestern ein, dass es besser gewesen wäre, bereits unter seiner Verantwortung dafür zu sorgen, das einsturzgefährdete ehemalige Salzbergwerk nicht nach Bergrecht, sondern dem sehr viel strengeren Atomrecht zu schließen.

Er sei, sagte Jüttner, damals wegen des Widerstands der letztlich zuständigen Bundesregierung unter dem Kanzler Gerhard Schröder (SPD) und dem grünen Umweltminister Jürgen Trittin nicht seinem "Bauchgefühl" gefolgt: "In Berlin gab es da eine knallharte Front, Atomrecht war nicht durchsetzbar." Der CDU-Abgeordnete Karl-Heinrich Langspecht warf Jüttner dagegen vor, er habe sich "weggeduckt und habe es laufen lassen in seiner Amtszeit".

In dem einsturzgefährdeten alten Bergwerk sind zwischen 1967 und 1978 rund 126 000 Fässer mit schwach und mittelaktiven Abfällen untergebracht worden, aus Jüttners Sicht "einer der größten Skandale, die in Deutschland jemals passiert sind". Die Asse sei von Anfang an nicht als Forschungsbergwerk, sondern als Endlager geplant gewesen, obwohl genau dafür ungeeignet.

"Es ist an Peinlichkeit nicht zu überbieten, was sich Politik, Wirtschaft und Wissenschaft hier geleistet haben", sagte Jüttner und fügte hinzu, dies gelte parteiübergreifend. Für die damalige SPD/Grüne-Koalition, die Niedersachsen ab 1990 regierte, reklamierte Jüttner, erst sie habe dafür gesorgt, dass die Asse nicht erneut als Endlager genutzt, sondern die Schließung vorangetrieben wurde. Auch in seiner Zeit als Umweltminister habe er dann lediglich diese Schließung als Atomaufsicht begleitet: "Der Dreck war schon da."

Zudem habe er dafür gesorgt, dass das Helmholtz-Zentrum als Betreiber der Asse endlich die Bevölkerung angemessen informierte: "Da ist über Jahrzehnte mit den Menschen Schindluder getrieben worden."

Nach Jüttners Angaben ist in seiner Ministerzeit klar gewesen, dass für die Asse nur eine Festverfüllung infrage kam, weil eine Magnesiumchlorid-Lösung die Gefahr bedeutet hätte, dass Radioaktivität über das Grundwasser in die Biosphäre gelangen könnte.

Dem Ausschuss gestern vorliegende Vermerke belegen aber, dass im Jahr 2002 Fachbeamte des Ministeriums über genau diese Art der Verfüllung Gespräche mit dem Betreiber Helmholtz geführt haben. Jüttner sagte dazu, einen Vermerk darüber habe er trotz eindeutiger Berichtspflicht seiner Beamten nie erhalten: "Dies ist ein massiver Verstoß gegen die Loyalitätspflichten gegenüber der Hausspitze."