Sparkurs sieht vor: 75 Grundschulen schließen, Einheitsschule einführen, neue Arbeitszeitmodelle.

Kiel. Die CDU/FDP-Regierung in Schleswig-Holstein hat ihre erste schwere Watsche erhalten. Der Landesrechnungshof (LRH) forderte mit Blick auf die schwarz-gelben Schulpläne einen radikalen Kurswechsel hin zu einer Einheitsschule. Der LRH will zudem fast jede vierte Lehrerstelle streichen und einige weitere Tabus im Schulbereich brechen.

"Die Schullandschaft ist weder wirtschaftlich noch zukunftsfähig", sagte LRH-Präsident Aloys Altmann bei der Vorstellung des Schulberichts 2009 in Kiel. Die umfassende Analyse, 186 Seiten stark, sei ein "Paukenschlag". Altmann warnte CDU und FDP davor, den Bericht samt Sparvorschlägen zu ignorieren. Die Finanzlage Schleswig-Holsteins sei so katastrophal, dass dem Land ansonsten in einigen Jahren aus Berlin die Einsetzung eines Sparkommissars oder eine "Neugliederung" drohe, also eine Fusion zumindest mit Hamburg.

Den Handlungsbedarf leitet der LRH aus den rückläufigen Schülerzahlen ab. Im Rekordherbst 2004 büffelten im Norden 330 600 Pennäler, 2008 waren es 317 300, und im Herbst 2019 sollen es nur noch 242 000 sein. Dieser Schülerschwund von fast 25 Prozent erzwinge den Umbau des Schulsystems. Die Kernforderungen:

  • Die 2007 eingeleitete Schulreform (Haupt- und Realschulen werden zu Regional- oder Gemeinschaftsschulen) muss forciert werden. "Eine konsequent wirtschaftliche Lösung ist eine Schule für alle Schüler der Klassen fünf bis zehn", sagte Altmann. Der LRH sprach sich damit erstmals für eine Einheitsschule aus, ließ sich aber eine Hintertür offen. Mindestziel sei ein zweigliedriges System. Es könnte aus Gymnasium und Gemeinschaftsschule (Gesamtschule) bestehen.
  • Die Gymnasien sollen Oberstufenzentren bilden, also ihren Schülern gemeinsam Angebote machen. Begründung: Nur in solchen Zentren kämen künftig genügend Schüler für ein vernünftiges und vielfältiges Kursangebot zusammen. Folge: Das klassische Gymnasium würde zum Auslaufmodell. So weit waren bisher nur die Grünen gegangen.
  • Mit dem Schülerrückgang sollen zeitgleich Lehrerstellen abgebaut werden. Bis 2019 könnte das Land laut LRH 4250 Stellen streichen, ohne dass sich die Unterrichtssituation verschlechtert. Durch den Abbau fast jeder vierten Lehrerstelle (derzeit etwa 19 200) würde das Land jährlich 261 Millionen Euro sparen.
  • Die Zahl der Schulen (rund 950) soll reduziert werden. Auf der Streichliste stehen 75 Grundschulen, die schon jetzt die Mindestgröße (80 Schüler) nicht erreichen. Auch kleine Regional- und Gemeinschaftsschulen sollen schließen.
  • Der LRH mahnte weitere Reformen an. Das Land müsse die unterschiedliche Ausbildung und Bezahlung von Haupt-, Real- und Gymnasiallehrern der veränderten Schullandschaft anpassen, so Altmann. Überfällig sei auch ein neues Arbeitszeitmodell, weil Deutsch- und Englischlehrer derzeit so viele Stunden geben müssten wie Kollegen, die Sport oder Kunst unterrichten.

Bildungsminister Ekkehard Klug (FDP) warf dem LRH vor, "wichtige Fakten" außer Acht zu lassen. So würden die Schülerzahlen nach der neuesten Schätzung bis 2019 nur auf 260 000 sinken. Einen Kahlschlag bei den Lehrerstellen lehnte Klug ebenso ab wie Einheitsschule, Oberstufenzentren und die Schließung kleiner Grundschulen.

Altmann ist sich gleichwohl sicher, dass die Vorschläge des Landesrechnungshofs am Ende aufgegriffen werden. Zum einen berät er die Haushaltsstrukturkommission, in der CDU und FDP ihren Sparkurs abstecken. Zum anderen ist die Landeskasse so leer, dass Schwarz-Gelb auch in den Schulen sparen muss.