Nach dem Aus in Niedersachsen wächst auch in Kiel und Hamburg die Skepsis. Der tägliche Gratis-Apfel droht zu scheitern.

Gratisobst in deutschen Schulen - die Idee klingt gut. Dadurch, so das Kalkül der Europäischen Kommission, ließe sich das kindliche Bewusstsein für gesunde Ernährung nachhaltig schärfen, der fatale Hang zu Übergewicht eindämmen. Doch am Dienstag hat Niedersachsen das EU-Subventionsprogramm gekippt. Ist das Thema kostenloses Schulobst auch in Hamburg und Kiel bald buchstäblich gegessen? Unüberhörbar wächst dort die Skepsis an dem Projekt, das zur Hälfte aus EU-Fördermitteln besteht und zur Hälfte von den Ländern finanziert wird.

So sei die schleswig-holsteinische Landesregierung unschlüssig, wann sie das Schulobstprogramm angehen wird. "Zurzeit haben wir kein Geld dafür", sagt Christian Seyfert, Sprecher des Landwirtschaftsministeriums. Man kalkuliere mit rund 400 000 Euro an Kosten für die Kofinanzierung. Denkbar sei aber auch, dass private Geldgeber die Summe aufbringen. "Vielleicht kommt das Schulobst erst im Schuljahr 2010/2011." Wenn überhaupt. Auch Hamburg reagiert verhalten. Rund 500 000 Euro müsste die Hansestadt bereitstellen. "Der Aufwand ist schon sehr, sehr hoch", sagt Gustav-Adolf Engelin, Referent der Wirtschaftsbehörde. "Er wäre wesentlich geringer, wenn Hamburg ein eigenes Schulobstprogramm ohne die EU auflegen würde." Belege, Kontrollen, aufwendige Dokumentationen - all das koste Zeit und Geld.

Ganz ähnlich hatte der niedersächsische Ernährungsminister Hans-Heinrich Ehlen (CDU) am Dienstag das "Aus" für das Schulobstprogramm begründet. Die Umsetzung hätte einen "unvertretbaren bürokratischen Mehraufwand" bedeutet. So hätte zum Beispiel pedantisch protokolliert werden müssen, von wem jeder einzelne Apfel geliefert, abgenommen und konsumiert werde. Alle Beteiligten - ob Obsthändler, Schulen oder Kommunen - hätten "Papier bewegen" müssen, sagte eine Ministeriumssprecherin. Zudem sei die Zahl der potenziellen Antragsteller - Schulen, Obstbauern, Obsthändler - bei dem Programm "kaum überschaubar". Ähnlich wie bei der Abwrackprämie wären die Fördermittel nach dem Windhundprinzip verteilt worden: "Ist der Topf leer, fließt kein Geld mehr."

Die Opposition indes hält die Bürokratie-Rhetorik für eine "Nebelkerze". Es sei unfassbar, dass die Regierung die EU-Subventionen aus "Sparwut" ausschlage, sagte der agrarpolitische Sprecher der Grünen, Christian Meyer. Das EU-Subventionsprogramm hätte von Niedersachsen mit 1,5 Millionen Euro kofinanziert werden müssen. Der SPD-Agrarexperte Rolf Meyer bezeichnete den Entschluss als "beschämend". Es sei gar nicht klar, wie das Programm in die Tat umgesetzt werden soll.

Eine seriöse Kalkulation der Kosten wäre ohnehin kaum möglich gewesen, sagte Minister Ehlen dem Abendblatt. Abhängig vom Umfang des Programms "wäre ein Gesamtvolumen von bis zu 44 Millionen Euro" möglich gewesen. Ausgangspunkt dieser Berechnung sei nach Angaben des Ministeriums ein Apfel täglich für rund 1,1 Millionen Schüler und Kindergartenkinder. Für sinnvoller hält Ehlen privatwirtschaftliche Projekte wie den "Altländer Schulapfel". Für einen Apfel täglich zahlen die Eltern von Schul- und Kindergartenkindern 40 Euro pro Jahr.