Schlechtestes CDU-Ergebnis seit mehr als 40 Jahren. Regierungschef plant Koalition mit der FDP, die nach Jahrzehnten erstmals mitregieren kann.

Kiel. Trotz der knappen Mehrheit mit der FDP will Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) eine schwarz-gelbe Landesregierung bilden. „Drei Sitze mehr – das reicht“, sagte Carstensen am Montagvormittag vor einer Sitzung des CDU-Präsidiums in Berlin. Der frühere schleswig-holsteinische Ministerpräsident Gerhard Stoltenberg habe früher einmal mit einem Sitz Mehrheit regiert. Nach dem vorläufigen Endergebnis erreichen CDU und FDP dank mehrerer Überhangmandate 49 Sitze und damit drei mehr als die anderen zusammen.

Peter Harry Carstensen ließ sich am Sonntagabend auf der Wahlparty im Kieler Landeshaus feiern, seine Anhänger skandierten "Es gibt nur einen Peter Harry ...". Eine La-Ola-Welle ging durch die Reihen, einige hielten "Peter Harry"-Schilder hoch. Alles hätte so schön sein können, wenn da nicht die dramatischen Stimmenverluste gewesen wären, die der CDU das schlechteste Ergebnis seit mehr 40 Jahren bescherten.

Und so blieb manchem auf der Wahlparty der Jubel im Halse stecken. "Das Ergebnis ist katastrophal", stöhnte ein Regierungsmitglied. Die CDU sei abgestürzt, stünde noch schlechter da als nach der Kieler Affäre 1988. Damals hatte die CDU mit 33,3 Prozent ihren vermeintlichen Tiefststand erreicht. Für zusätzliches Kopfschütteln sorgte das Bundesergebnis. Die CDU verlor mit Kanzlerin Angela Merkel nur leicht, die Nord-CDU mit Carstensen deutlich.

Überraschend war das nicht. Der "König der Volksfeste" sah nach dem Koalitionsbruch im Juli wie der sichere Sieger aus, konnte im Wahlkampf aber kaum punkten. In Krisenzeiten würde nicht Sympathie gewählt, sondern Kompetenz, klagte man selbst in der CDU. Die FDP machte Carstensens Defizit sogar zu ihrem Wahlkampf-Slogan: "Wir können, was wir tun."

"Wir haben einen Erdrutschsieg errungen", jubelte FDP-Landeschef Jürgen Koppelin. Überglücklich lief auch Fraktionschef Wolfgang Kubicki durch das Landeshaus. Er gilt als Vater des liberalen Höhenflugs, ist im Norden der populärste Politiker und hatte sich für eine schwarz-gelbe Koalition ausgesprochen. Nach fast 40 Jahren können die Liberalen nun wieder mitregieren.

Der Jubel auf dem engen Fraktionsflur brandete auch immer dann auf, wenn die Stimmenverluste der SPD deutlich wurden. "Wir wollen ja dem sozialdemokratischen Obrigkeitsstaat ein Ende machen", sagte Bildungsexperte Ekkehard Klug, der auch für die Schulen deutliche Lockerungen verspricht. "Die SPD ist keine große Partei mehr. Die sind eine mittelgroße Partei wie wir."

Bei den Sozialdemokraten herrschte Grabesstimmung. Die SPD ist noch tiefer abgestürzt als erwartet. Als die erste Prognose über den Bildschirm flackerte, rang die langjährige Bildungsministerin Ute Erdsiek-Rave sichtlich um Fassung. Auch Gitta Trauernicht und Uwe Döring hielten mit der Enttäuschung nicht hinter dem Berg. "Das ist dramatisch", so der frühere Justizminister. In der alten Landtagskantine, in der die SPD früher große Siege lautstark feierte, war es mucksmäuschenstill. "Ich bin richtig, richtig enttäuscht", sagt Maria Nerta aus Husum. Ihr Ehemann schenkte noch einmal Wein nach. Andere wollten die Hoffnung nicht aufgeben. "Das ist noch nicht das Endergebnis. Ich bin Optimistin", sagte Bundesparteiratsmitglied Birgit Hannemann-Röttgers aus Kiel und erinnert an die Wahl 2005. Ex-Ministerin Erdsiek-Rave sagte nach dem ersten Schock: "Die SPD muss nach diesem Ergebnis alles schonungslos hinterfragen." Das gelte auch für den Spitzenkandidaten Ralf Stegner. "Es ist die Frage, ob dieser Politikstil und diese Konfrontation richtig sind." Eine Stunde später räumte der umstrittene Spitzenkandidat mit belegter Stimme die "bittere Niederlage" ein.

Bei den Grünen knallten angesichts des zweistelligen Ergebnisses die Sektkorken, aber die Stimmung blieb verhalten, denn es reichte nicht für die Regierung. "Die beiden großen Volksparteien sind abgestraft worden. Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung war riesengroß", sagte die grüne Spitzenkandidatin Monika Heinold.

Dem Südschleswigschen Wählerverband (SSW) ging es ähnlich wie den Grünen. Vier Prozent reichen zwar, um drei statt bisher zwei Abgeordnete in den Landtag zu schicken. "Darüber sind wir sehr froh", freute sich Spitzenkandidatin Anke Spoorendonk. Aber bei aller Freude, irgendwie hatte die SSW-Politikerin nach den wilden Koalitionsspekulationen der letzten Wochen doch gehofft, als Zünglein an der Waage gebraucht zu werden.