Lokführer holt das Opfer aus dem Wasser, doch die Hilfe kam zu spät. Die Strecke war mehr als drei Stunden lang gesperrt.

Hamburg. Der 32 Jahre alte Fahrer, der, wie bei dieser Überfahrt üblich, im Cockpit sitzen geblieben war, konnte nur noch hilflos zusehen: Während der Fahrt über den Hindenburgdamm wurde sein Lastwagen samt dem Anhänger vermutlich von starken Windböen aus den Verankerungen des Autozuges ("Sylt-Shuttle") gedrückt und über den Rand des sogenannten Flachwagens geschoben. Kurz darauf kippte der mit Dämmstoffen beladene Wagen auf die Gleise des Hindenburgdamms und überschlug sich mehrmals. Der junge Fahrer schleuderte dabei von seinem Sitz durch die geöffnete Fahrertür aus der Zugmaschine und landete mit schwersten Verletzungen im Wasser der Nordsee. Wenig später verstarb er.

Mehr als drei Stunden war die Bahnverbindung zwischen Niebüll und Westerland gestern nach dem schweren Unfall gesperrt. Warum der Lastwagen gegen 15.30 Uhr von dem Autozug fiel, ist noch nicht bekannt. Ob es wirklich schwere Windböen waren, die ihn von dem Waggon schoben, wie Rettungskräfte vor Ort vermuteten, werden die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in Flensburg ergeben, die den Lastwagen und den Autozug-Anhänger bereits beschlagnahmen ließ. Sicher ist nur: Zum Zeitpunkt des Unfalls brausten Böen mit bis zu acht Windstärken über den 11,2 Kilometer langen Bahndamm.

Dank einer sofort eingeleiteten Notbremsung gelang es dem Zugführer, den knapp 600 Meter langen Zug kurz hinter der Unfallstelle zum Stehen zu bringen. Noch bevor der Sylt-Shuttle zum Halten kam, sprang der Zugchef aus einem Waggon und rettete den Verunglückten in einer bemerkenswerten Aktion aus dem Wasser. Gleichzeitig eilten Rettungskräfte mit mehreren Notarzt- und Feuerwehrwagen sowohl vom Festland aus Niebüll als auch von Westerland auf der Nordseeinsel über einen Notweg neben den Gleisen an die Unfallstelle. Während jedoch der Zugchef nach der dramatischen Rettungsaktion wegen starker Unterkühlungen ärztlich versorgt werden musste, kam für den 32-Jährigen jede Hilfe zu spät: Er erlag noch am Unfallort seinen schweren Verletzungen.

"So etwas kam bislang noch nie vor: Wir ermitteln in alle Richtungen", sagte Bundespolizei-Sprecher in Flensburg. Für die 35 Minuten dauernde Überfahrt von Niebüll nach Westerland stand der mit Dämmstoffen beladene Laster auf einem speziellen Flachwagen. Auf Eisenbahn-Waggons dieses Typs können Fahrzeuge bis 21,80 Meter Länge und 50 Tonnen Gewicht befördert werden. Nach Angaben von Bahn-Sprecher Egbert Meyer-Lovis werden Lastwagen ohne Ladung ab Windstärke acht mit Gurten befestigt, beladene jedoch nicht. Ab Windstärke zwölf wird der Bahnverkehr eingestellt.

Während der Rettungsaktion an den Gleisen stiegen ein Seaking-Hubschrauber der Bundeswehr und ein Hubschrauber der Bundespolizei auf, um nach weiteren Opfern im Wasser der Nordsee zu suchen. Die Suche, die nach Aussagen von anderen Bahnreisenden eingeleitet worden war, die neben dem 32-jährigen Fahrer auch einen Beifahrer gesehen haben wollten, blieb jedoch ohne Erfolg. Erst gegen 18.15 Uhr konnte die Verbindung zwischen Sylt und dem Festland wieder freigegeben werden - zwei ICs und sechs Autozüge fielen in dieser Zeit aus. Das Wrack des Lastwagens jedoch bleibt als schauriges Zeugnis zunächst noch an Ort und Stelle, wie die Bundespolizei am Abend mitteilte. Die Witterungsbedingungen ließen eine Bergung am Donnerstagabend nicht mehr zu. Mit einem Schienenkran soll er in der Nacht auf Sonntag nach Niebüll gebracht werden.