Ein externes Gutachten zu den Ahrensburger Missbrauchsfällen belegt schwere Versäumnisse der Nordelbischen Kirche “auf vielen Ebenen“.

Kiel/Ahrensburg. Im Fall des ehemaligen Ahrensburger Pastors Dieter K., der in den 70er- und 80er-Jahren mehrere Kinder und Jugendliche seiner Gemeinde sexuell missbrauchte, hat die Nordelbische Kirche nach eigenem Bekunden versagt. Weder seien die Opfer nach Bekanntwerden der Vorwürfe genügend gehört worden, noch habe die Dienstaufsicht den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung entsprochen, sagte Bischof Gerhard Ulrich, Vorsitzender der Kirchenleitung, gestern in Kiel.

Gemeinsam mit weiteren Kirchenvertretern stellte er die Ergebnisse eines externen Gutachtens vor, das innerkirchliche Vorgänge bewertet, die zur Versetzung des Pastors im Jahr 1999 geführt hatten. "Die Kirche hat auf vielen Ebenen versagt", betonte Ulrich. Das gelte für die Kirchenkreisebene ebenso wie für das Nordelbische Kirchenamt.

Ein Opfer des Geistlichen hatte sich 1999 der damaligen Stormarner Pröpstin Heide Emse anvertraut und ihr von weiteren Opfern berichtet. Emse hatte daraufhin das Kirchenamt informiert, wenige Monate später wurde Dieter K. zu einer übergemeindlichen Pfarrstelle nach Neumünster versetzt. Dort sollte er einen reinen Schreibtischjob ausüben, doch betreute der Geistliche in der Jugendstrafanstalt Schleswig auch Insassen seelsorgerisch. 2001 wurde er in den vorzeitigen Ruhestand versetzt, blieb aber noch bis 2003 Religionslehrer an der Ahrensburger Stormarnschule. Ende 2010 kam K. der drohenden Entlassung aus dem Dienst zuvor, indem er selbst darum bat. Die Kirche hatte im Frühjahr 2010 ein Disziplinarverfahren gegen ihn eröffnet, nachdem ein Opfer die damalige Bischöfin Maria Jepsen um Aufklärung gebeten hatte.

Fehlende Dokumentation und mangelnde Kommunikation hätten 1999 zur Fehleinschätzung des Falls geführt, erklärte die Kirchenleitung jetzt. Zu diesem Schluss kommt auch das Gutachten des Kieler Fachanwalts für Verwaltungsrecht, Christian Becker. Die Kanzlei Brock Müller Ziegenbein war im August vergangenen Jahres mit der Untersuchung beauftragt worden.

Sämtliche Gespräche, die Heide Emse mit dem Opfer, dem Beschuldigten, dem Kirchenkreisvorstand und Kirchenamt geführt hatte, seien nicht dokumentiert. Während der Gutachter als Konsequenz die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen die mittlerweile pensionierte Oberkirchenrätin Emse vorschlägt, schätzt die Kirchenleitung Emses Versäumnisse geringer ein. "Nach intensiver Beratung folgt die Kirchenleitung dieser Empfehlung des Gutachters nicht", sagte Ulrich.

Das Gremium orientierte sich bei dieser Entscheidung am kirchlichen Disziplinarrecht. Liege eine Amtspflichtverletzung länger als vier Jahre zurück, dürfe gegenüber Ruhestandsgeistlichen ein Verfahren nur dann eingeleitet werden, wenn beim Erweis der Schuld eine Entfernung aus dem Dienst zu erwarten sei. Das bedeutet den Verlust von Pensionsansprüchen und Ordinationsrechten. "Dieses Ergebnis steht nicht zu erwarten", sagte Ulrich. Es gebe keine hinreichenden Anhaltspunkte einer Vertuschung. "Gleichwohl stehen wir im unauflöslichen Zwiespalt. Wir haben den Wunsch möglichst transparenter Aufklärung, doch rechtliche Grundlagen setzen diesem Ziel sehr enge Grenzen."

Die Ermittlungen gegen den Ahrensburger Ruhestandsgeistlichen Friedrich H. seien indes abgeschlossen. Ihm werden sexuelle Übergriffe auf eine 17- und eine 18-Jährige Mitte der 80er-Jahre vorgeworfen. Derzeit liege der Bericht beim Anwalt des Beschuldigten. Wann die Nordelbische Kirche ihren Abschlussbericht zu den Ahrensburger Missbrauchsfällen vorlegt, vermochte sie am Mittwoch noch nicht zu sagen.