Die Entscheidung des Bischofs zum Missbrauchsfall wird in Ahrensburg mit viel Schweigen und etwas Kritik quittiert

Ahrensburg. "Wir alle haben die Aufgabe, uns den Vorfällen zu stellen und die Opfer zu stärken", schrieb Pastorin Anja Botta im Herbst im Ahrensburger Kirchenblatt. Und weiter: "Das ist schwer, vielleicht sogar manchmal kaum möglich, aber für mich scheint es der einzige Weg, um wieder zueinander zu finden als Gemeinde Jesu Christi." Momentan scheint das Schwere zu überwiegen. Wer gestern die Stimmung in der Ahrensburger Kirchengemeinde erkunden wollte, der stieß hauptsächlich auf Schweigen. Einzig Pastor Detlev Paschen, der Vorsitzende des Kirchenvorstands, reagiert auf den Anruf dieser Zeitung. "Gut, dass die Ergebnisse jetzt vorliegen", sagt er. "Auf dieser Basis können wir nun schauen, wie wir unsere präventiven Maßnahmen fortsetzen und vorantreiben." Auch Ahrensburgs Bürgermeister Michael Sarach bleibt stumm. "Das ist eine kircheninterne Angelegenheit", lässt er ausrichten.

Die Kirchengemeinde befindet sich offenbar immer noch in der Schockstarre, in die sie vor einem Jahr mit Bekanntwerden der Vorwürfe gegen den Pastor Gert-Dietrich Kohl gefallen ist. Und daran hat auch das aktuelle Eingeständnis des Bischofs Gerhard Ulrich nichts geändert. Im Fall Kohl, der Jugendliche sexuell missbraucht hat, habe "die kirchliche Dienstaufsicht nicht so funktioniert, wie sie hätte sein sollen", sagte Ulrich gestern in Kiel. Folgen hat dieses Schuldeingeständnis allerdings nicht. Weder Emse noch die mit dem Fall betrauten Mitarbeiter des Kirchenamts werden zur Verantwortung gezogen.

Anselm Kohn, der Vorsitzende des Opfervereins Missbrauch in Ahrensburg, sagt: "Viele Fragen sind offen geblieben. Wie war die Kommunikation zwischen Heide Emse und Kirchenamt tatsächlich? Ich zweifle die Entscheidung der Kirchenleitung an, keine Disziplinarverfahren gegen Emse einzuleiten."

Kritik äußert auch Thomas Bellizzi, Stadtverordneter der FDP. "Es kann nicht das endgültige Ergebnis der Ermittlungen sein, dass ein schuldhaftes Verhalten festgestellt wird, es aber keine personellen Konsequenzen gibt." Bellizzi weiter: "Man ist es den Opfern schuldig, jetzt ein Disziplinarverfahren gegen Heide Emse einzuleiten. Für mich ist es geradezu verachtenswert, dass das offenbar nicht getan wird."

Bellizzi ist einer von denen, die der Kirche nach Bekanntwerden des Falls Kohl den Rücken gekehrt haben - nachdem er ihr jahrelang eng verbunden war. Im Kirchsaal Hagen, der früheren Wirkungsstätte von Pastor Kohl, hat er seinen Zivildienst gemacht. "Ich bin Anfang des Jahres ausgetreten", sagt er. Für ihn zeigt die aktuelle Entscheidung der Kirchenleitung einmal mehr, dass "die Kirche nicht mehr die moralische Instanz ist, die sie zu sein vorgibt".

Für Doris Brandt (CDU), die Vorsitzende des Sozialausschusses, stehen die Opfer im Mittelpunkt der politischen Bewertung. "Ihre Würde ist mit Füßen getreten worden", sagt sie. "Um sie müssen wir uns jetzt kümmern. Ich bewundere die Menschen, die den Mut hatten, über den Missbrauch zu sprechen." Die Wunden der Opfer seien kaum zu heilen, auf der anderen Seite kämen die Täter in den Genuss der Verjährung, müssten also für ihre Taten nicht mehr büßen. "Das passt nicht", sagt Brandt.

Auch Ingo Loeding, der Vorsitzende des Kinderschutzbundes in Stormarn, hat großen Respekt vor denen, die den Fall Kohl öffentlich gemacht haben. "Ich ziehe den Hut vor dem Verein Missbrauch in Ahrensburg", sagt er. Loeding appelliert an die Verantwortlichen in den Institutionen, mit Fällen von sexuellem Missbrauch offensiv umzugehen. "Wichtig ist es, den Betroffenen zu glauben", sagt er. "Auch heute noch neigen Institutionen dazu, zunächst sich selbst zu schützen und nicht den Opfern zu helfen." Loeding hat den Eindruck, dass die Kirche sich nun auf den Weg macht, um bei sexuellem Missbrauch in Zukunft schneller zu reagieren. Auf der andere Seite findet er auch, dass "Kirche noch ganz viel aufzuholen hat". So sei es sicherlich eine gut gemeinte Geste gewesen, dass der Bischof Ulrich die Opfer des Pastors Kohl zu einem gemeinsamen Gespräch gebeten habe. Aber es sei eben auch vollkommen falsch gewesen: "So wird man den Bedürfnissen der Betroffenen nicht gerecht."