In Niedersachsen fordert die Öko-Partei das unverzügliche Verbot von Qualzucht, Käfighaltung und Verstümmelungen in der Landwirtschaft.

Hannover. Im Ziel sind sich der niedersächsische Landwirtschaftsminister Gert Lindemann (CDU) und die Grünen-Fraktion im Landtag in Hannover weitgehend einig. Es soll Schluss gemacht werden mit dem Schnabelkürzen bei Hennen und Puten, mit der Kastration von Ferkeln und dem Abschneiden ihrer Schwänze ohne Betäubung. Aber der Zeitplan der CDU-FDP-Landesregierung, der für ein Ende der Auswüchse der Massentierhaltung bis ins Jahr 2018 reicht, stößt bei den Grünen auf erbitterten Widerstand: "Wir sind für ein unverzügliches Verbot von Qualzucht, Käfighaltung und Verstümmelungen", sagte der Grünen-Abgeordnete Christian Meyer in Hannover.

Die Grünen haben deshalb einen "Zehn-Punkte-Tierschutzplan" vorgelegt, der mehr Platz für Masthühner, Puten und Legehennen vorsieht und ein Verbot, Pferde mit Brandeisen zu kennzeichnen. Und statt der bislang erlaubten 24 Stunden Transportzeit für Schweine und Rinder soll es künftig eine Obergrenze von vier Stunden pro Tag geben. Sogar aus Dänemark, so Meyer, werden inzwischen die Tiere zur Schlachtung über lange Strecken herangekarrt: "Niedersachsen entwickelt sich zum Schlachthof Europas."

Sein Vorwurf an den Minister: "Er hat das Problem erkannt, aber will dennoch erst nach der übernächsten Landtagswahl 2018 auf das Schnabelkürzen verzichten. So werden die Folgen der industriellen Massentierhaltung in die Zukunft verschoben."

Die von Lindemann angekündigten wissenschaftlichen Studien zum Schnäbelkürzen hält Meyer für überflüssig, in Österreich habe man diese Problematik bereits durch mehr Fläche für das Federvieh gelöst. Dies dämpfe die Aggressivität der Tiere untereinander.

Mit ihrem Entschließungsantrag versuchen die Grünen, den Druck auf die Landesregierung vor der nächsten Landtagswahl zur Jahreswende 2012/2013 zu erhöhen. Im vergangenen Jahr ist das Land bereits durch eine ganze Reihe von Tierschutzskandalen unter Druck geraten. Immer neue Videoaufnahmen von tierquälerisch gehaltenen Puten führten dann zum Jahreswechsel zum Rücktritt der damaligen Landwirtschaftsministerin Astrid Grotelüschen (CDU), deren Mann eine große Putenbrüterei betreibt.

Auch wegen der aus den Skandalen resultierenden Kaufzurückhaltung der Verbraucher etwa beim Putenfleisch hat Grotelüschens Nachfolger Lindemann dann zu Ostern einen 38-Punkte-Plan vorgelegt, dessen Umsetzung sich aber bis ins Jahr 2018 zieht. Aber selbst für diesen Plan, der den Grünen nicht schnell genug greift, riskiert er Ärger mit der Bauernlobby. "Der Minister gerät bei Landvolk und Interessenverbänden unter starken Druck", sagte Meyer.

Landwirtschaft ist in keinem Land so wichtig wie in Niedersachsen

Der Grünen-Politiker aber ist überzeugt, dass die Vorschläge seiner Partei schnell, also noch in dieser Legislaturperiode, realisierbar seien. Er verweist darauf, dass andere Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen dazu bereits konkrete Gesetzesvorhaben im Bundesrat eingebracht haben. Dies gilt ausdrücklich auch für die Forderung, Tierschutzorganisationen ein Verbandsklagerecht einzuräumen: "Die Tiere selbst können schließlich nicht klagen."

Die Landwirtschaft ist in keinem anderen Bundesland ein so wichtiger Faktor wie in Niedersachsen. Minister Lindemann versucht aber, nicht nur Interessen der Landwirte durch die lange Zeitschiene zu berücksichtigen, sondern er argumentiert auch, bei Puten könne man die Aggressivität nur durch langfristig angelegte Züchtung vermindern: "Es braucht nun mal Zeit, die Zuchtlinien zu verändern." Er sieht mit seinem Zeitplan "Niedersachsen in einer Vorreiterrolle beim Tierschutz". Die Vorschläge der Grünen kommentierte ein Sprecher Lindemanns: "Wir freuen uns über Mitstreiter, aber diese Vorschläge sind überambitioniert."