Die Erdbeer-Saison in Norddeutschland ist eröffnet. 2500 Tonnen der roten Früchte werden bis September für den Erdbeerhof Glantz geerntet.

Delingsdorf. Fürs Geldverdienen macht Wanda Przedwojewska sich krumm. Gebückt geht die 56-Jährige übers Feld. Ihre Hände wischen die Blätter der Pflanzen weg. Grün dominiert. Das Dunkelgrün der Blätter. Und das Hellgrün der noch unreifen Früchte. Dann sieht die 56-Jährige das Rote hervorblitzen, greift mit Daumen und Zeigefinger danach und legt es in den Korb. "Wir müssen die Erdbeeren derzeit noch suchen", sagt die Polin, die auf dem Erdbeerhof Glantz nahe Ahrensburg als Saisonkraft arbeitet.

In diesen Tagen - durch die Wärme drei Wochen früher als im vergangenen Jahr - werden in Delingsdorf die ersten Früchte geerntet. Und in der Metropolregion gehören die aus PVC gefertigten Verkaufsstände im Erdbeer-Design wieder zum Stadtbild. An 160 Bahnhöfen, Einkaufszentren oder Parkplätzen hat der Familienbetrieb seine Hütten aufgebaut. Das sind 20 mehr als im Vorjahr. "Wir sind Marktführer in Hamburg", sagt Enno Glantz, der das Unternehmen mit 50 Festangestellten seit 1972 führt, "und gehören zu den größten Erdbeerhöfen in Deutschland."

Auf 75 Hektar baut er vor den Toren Hamburgs Erdbeeren an, hinzu kommen 135 Hektar Anbaufläche an der mecklenburgischen Ostseeküste. In Hohen Wieschendorf kaufte der 66-Jährige nach der Wiedervereinigung den Großteil des großelterlichen Gutes zurück - und kann daher in diesem Jahr Doppeljubiläum feiern: Vor 50 Jahren übernahm sein Vater den Hof in Delingsdorf, vor 20 Jahren kaufte Enno das großelterliche Gut zurück. Ein finanzieller Kraftakt, der sich ausgezahlt habe. "Durch die zwei Standorte kann ich die Risiken minimieren", sagt Glantz. Durch die Milde der Ostsee habe es dort zum Beispiel keinen Nachtfrost gegeben, während auf den Feldern nahe Ahrensburg die Kälte rund 40 Prozent der Pflanzen schädigte. "Das ist die Faszination des Erdbeerbaus", sagt Glantz, "er ist nicht zu kalkulieren: Mal gibt es Trockenheit und mal Frost."

Wobei ausbleibende Niederschläge durch eine Tropfschlauchanlage wettgemacht werden können. Das sind schmale Schläuche, die alle zehn Millimeter ein Loch haben und das Wasser direkt in die Wurzelzone abgeben. Die Investition für die 2300 Kilometer lange Bewässerungsanlage lag im sechsstelligen Bereich. Das ist zwar viel Geld, aber notwendig. Denn einen Ernteausfall wegen Trockenheit kann sich Glantz nicht leisten. Schließlich ist die Hochsaison nur 40 Tage lang - und in der erzielt er 80 Prozent seiner Jahreserlöse. "Als Erdbeerbauer muss man ein bisschen verrückt sein", sagt er angesichts der Wetterrisiken und lacht.

Mehr als 150 000 Tonnen werden pro Jahr in der Bundesrepublik gepflückt. Glantz rechnet auf seinem Betrieb bis zum Auslaufen der Nebensaison Mitte September mit 2500 Tonnen. "Wochenenden gibt es ab sofort nicht mehr", sagt er. Schließlich sei die Erdbeere ein Tagesprodukt. "Wir wollen eine Spitzenqualität liefern", sagt Glantz. Und da sei ein kurzer Weg zum Kunden der entscheidende Faktor. Maximal 20 Stunden sollen zwischen Feld und Verkauf liegen. Glantz ist sicher: "Keiner bringt so schnell wie wir die Ware an den Verbraucher."

Das ist die Aufgabe von Jörg Meyer. Er ist der Herr der Logistik. Seinen Schreibtisch hat er in einem gelben Container, der im Verladehof steht. Ein Beamer wirft eine Karte mit allen Verkaufsständen an die Wand. Als Symbol erscheinen kleine Erdbeeren - das Netz zieht sich von Trappenkamp bis Lüneburg, von Wedel bis Mölln. Der 40-Jährige verfolgt, wie viel Ware die Fahrer ausliefern und welche Routen sie wählen. "Ich kann sogar sehen, ob ein Fahrer richtig einparkt", sagt er mit einem Schmunzeln. Ein Computerprogramm registriert, wann sich welcher Verkäufer an seinem Stand anmeldet, wann er ihn wieder schließt und wie viel er verkauft. Organisation ist alles, damit die Erdbeere den Weg zum Kunden findet. "Alle Stände in der Nähe beliefern wir zweimal am Tag." Momentan soll ein Pfund für 3,20 Euro über den Tresen gehen. Kunden dürfen sich auf den Erntehöhepunkt freuen. An solchen Spitzentagen erntet Glantz bis zu 60 Tonnen Erdbeeren. Die Konkurrenten pflücken aber auch mehr, sodass die Preise fallen und ein 1,5-Kilogramm-Korb weniger als vier Euro koste.

Wanda Przedwojewska und ihre Kollegen sorgen dafür, dass genug Ware da ist. Mit Sonnenaufgang beginnt die Feldarbeit. Und gepflückt wird, bis die Sonne untergeht. In der Hochsaison hat der ganze Betrieb bis zu 1500 Mitarbeiter, in Delingsdorf tummeln sich bis zu 300 Aushilfskräfte auf den Feldern. Derzeit sind es nur etwa 40. Doch die nächsten Arbeiter sind auf dem Weg. Am heutigen Sonnabend kommen 20 weitere, am Sonntag 40. Dann geht die Ernte richtig los. Untergebracht werden sie in einem Containerdorf, das in Zwei- und Vierbettzimmern bis zu 350 Menschen Unterschlupf gewährt.

Viele kämen über Mund-zu-Mund-Propaganda. "Meine Schwester war schon hier und hat mich mitgenommen", sagt Wanda Przedwojewska, die jetzt im elften Jahr auf dem Hof arbeitet. Allerdings führt die Firma auch in Polen Bewerbungsgespräche. Im Januar waren Glantz-Mitarbeiter vor Ort und suchten neue Pflücker aus. "Ich bin ein Fan unserer polnischen Arbeiter", sagt Enno Glantz. Sie seien zuverlässig, wüssten, wie sie die für Druckstellen sensiblen Früchte anfassen müssen, und würden gute Arbeit abliefern. Mit Deutschen habe er keine guten Erfahrungen gemacht. Als Vorwurf will er das aber nicht gelten lassen. "Für einen Städter ist das eine extrem ungewohnte Arbeit." 5,82 Euro gesetzlichen Lohn zahle er pro Stunde, dazu kämen Leistungszuschläge. Jeder solle mindestens 6,50 Euro in 60 Minuten verdienen, sagt Glantz. "Je nach Fingerfertigkeit" seien auch bis zu zwölf Euro drin. Der neuen Freizügigkeit in der EU habe er gelassen entgegengesehen und sogar Papierkram gespart. "Die Leute bei uns wollen zwei Monate arbeiten, Geld verdienen und wieder nach Hause."

So wie Wanda Przedwojewska. 45 Kilogramm sind momentan ihre Tagesausbeute, in der Hochsaison sind es 200. Dann geht es schneller, weil der Weg zwischen den Erfolgserlebnissen kürzer wird. Wenn viele Erdbeeren am Strauch hängen, gibt es auch Entlastung für den Rücken. Dann kniet sie sich zum Pflücken hin. Zwei Monate will die Hausfrau bleiben, dann geht sie mit gut 3000 Euro zurück. Der Durchschnittsmonatslohn in Polen liegt bei gut 900 Euro. Das Geld will sie sparen, "um den Kindern etwas kaufen zu können".